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Fashion Week im Regenwald Die schrille Modenschau der Paradiesvögel

Mit Glitzerroben, schrillem Make-up und raffinierten Tanzeinlagen bezirzen dort Paradiesvogelmänner die Damenwelt. Das alles begleitet von reichlich Sex and Rock 'n' Roll
Ein Vogel mit blauen Füßen und grünem Brustkleid, aus den Schwanzfedern ragen zwei drahtartige Sicheln
Der Sichelschwanzparadiesvogel (Diphyllodes magnificus) prahlt mit einem grün funkelnden Brustkleid. Das mittlere Steuerfederpaar bildet zwei feine Sicheln
© Nick Garbutt / nature picture library / mauritius images

Auf einem horizontalen Ast, zwei Meter über seiner Bühne, thront Cicinnurus magnificus, der "Prächtige": grün-irisierendes Brusthemd mit türkisfarbener Paspel, braunes Unterkleid, grellorangeroter Flügelmantel, darüber ein zitronengelbes Cape mit pelzig-braunem Kragen. Und dazu – ein solches Styling würde in Paris niemand wagen – in strahlendem Himmelblau die Füße, der Schnabel und ein Lidschatten, der bis in den Nacken reicht. Prunk-Punk, Vivienne Westwood nichts dagegen! 

rötlicher Vogel mit gelbem Kopf und grünem Schnabel
Die orange-rötlichen Flankenfedern wirken wie ein Feuerschweif. Dazu trägt der Raggiparadiesvogel (Paradisaea raggiana) drahtartig verlängerte Steuerfedern, die bis zu einem halben Meter lang werden
© Philip Mugridge / Alamy Stock Photos / mauritius images

Schon seit dem Morgengrauen beschallt der Sichelschwanzparadiesvogel die Umgebung mit einem lauten "kyeng, kyeng", um zu verkünden, dass die Show bald beginnt. Doch von den Zuschauerinnen ist noch keine aufgetaucht. Vielleicht sind die Mädels längst dem Ruf eines anderen gefolgt. Für sie sind die Modeschauen auf der Insel Neuguinea wie ein Schaufensterbummel: Sie drehen ihre Runden, bis sie den Allerprächtigsten gefunden haben. Dann werden sie schwach.

Der geflügelte Modeschöpfer zupft einige Blätter von Zweigen ab, um den Sichtkontakt mit dem Publikum und die Bühnenbeleuchtung zu optimieren: helles, indirektes Licht, damit die irisierenden Effekte seiner Federn auch zur Geltung kommen. Dann zerrt er vom Laufsteg jenes Laub, das über Nacht gefallen ist. Ein Profi. Wer würde schon seine Kollektion vor bunten Blättern präsentieren? Extravagante Mode braucht einen neutralen Hinter- oder, wie hier, Untergrund. Denn die Zuschauerinnentribüne ist, sorgsam ausgewählt, ein Ast direkt über der Bühne.

Endlich, eine Vogeldame nimmt Platz. Schlichter brauner Mantel über braun-beige gestreifter Unterwäsche. Als Alleinerziehende, die jedes Jahr ein bis zwei Küken aufziehen muss, reicht ihre Energie nicht, sich aufzubrezeln. Und für wen auch? Doch nicht, damit noch Schlangen, Falken oder Beutelmarder ein Auge auf sie werfen.

Neo-Renaissance – schon Queen Elizabeth trug so etwas

Showtime! Etwa einen halben Meter über dem Boden krallt sich Magnificus vertikal an einen schmalen, schon abgegriffenen Sprössling, seine Turnstange, und bläht seinen Brustschild auf zu einem fußlangen Latz mit Schulterpolstern, Größe XXL. Wie ein Bodybuilder lässt er seine Muskeln spielen, sodass die grünen Brustfedern funkeln. Dann stellt er seine Nackenfedern auf, bis sie als großer gelber Fächer seinen Kopf umrahmen. Neo-Renaissance – schon Queen Elizabeth I. trug so etwas. Zitternd verharrt der Vogelmann. Die Vogelfrau kommt bis auf zwei Handbreit heran.