Erneuerbare Elektrizität Strom aus Regen? Dieses Kraftwerk soll Energie aus Niederschlag gewinnen

Starkregen im Wald
Mithilfe des sogenannten Pfropfenströmungsmusters könnte es künftig gelingen, Regenenergie zur Erzeugung sauberer und erneuerbarer Elektrizität zu nutzen
© Massimo Ravera / Getty Images
Regen könnte nach Forscherangaben künftig als erneuerbare Energiequelle genutzt werden. Im Labor erreicht ein entsprechendes Mini-Kraftwerk einen Wirkungsgrad von über zehn Prozent

Mit Regen wollen Forscher einmal Strom gewinnen. Im Labor haben sie ein neuartiges Minikraftwerk gebaut, das mit Hilfe von fallendem Wasser elektrische Energie erzeugt. Dabei fließt Wasser abwechselnd mit Luftblasen durch ein zwei Millimeter breites Röhrchen. Durch diese besondere Wasserströmungsart, die die Forscher Pfropfenströmung nennen, konnten sie den Energieertrag im Vergleich zu einem Röhrchen mit kontinuierlich fließendem Wasser erheblich steigern. Die Gruppe um Siowling Soh von der National University of Singapore erreichte durch Experimente einen Wirkungsgrad von mehr als zehn Prozent. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "ACS Central Science" erschienen.

"Dieses Pfropfenströmungsmuster könnte die Nutzung von Regen-Energie zur Erzeugung sauberer und erneuerbarer Elektrizität ermöglichen", wird Soh in einer Mitteilung der American Chemical Society zitiert. Mit Flusswasser könne das Verfahren auch funktionieren, schreibt das Team in der Fachzeitschrift. 

Bei der Pfropfenströmung ist es wichtig, dass der Durchmesser des Röhrchens groß genug ist, damit das Wasser durch die Schwerkraft nach unten fällt. Dies ist bei zwei Millimetern gewährleistet. Der Versuchsaufbau ist recht einfach: Aus einem Wassertank fließt Wasser fast waagerecht durch eine Metallleitung. Die Öffnung dieser Leitung ist so ausgerichtet, dass das austretende Wasser auf ein 32 Zentimeter langes, senkrechtes Versuchsröhrchen aus Kunststoff fällt. Dies hat einen Durchmesser von 2 Millimetern. Dadurch mischt sich auf natürliche Weise Luft in die Wassersäule, die anschließend durch das Röhrchen fließt. Es entsteht eine wellenförmige Abfolge aus Wasser, das die gesamte Rohrbreite einnimmt, und Luft.

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Wer eine elektrische Spannung erzeugen möchte, muss positive und negative Ladungen voneinander trennen. "Bei der Pfropfenströmung findet Ladungstrennung ausschließlich an der Kontaktlinie des zurückweichenden Randes der einzelnen Wassersäulen statt", schreiben die Studienautoren. Nach Annahmen der Forscher funktioniert die Technik ganz einfach: An der Grenze zwischen dem Wasser und der nachfolgenden Luft trennen sich Wassermoleküle in positiv geladene Wasserstoff-Ionen und negativ geladene Hydroxid-Ionen auf. Die Hydroxid-Ionen heften sich durch elektrische Anziehung an die Rohroberfläche und wandern nach oben. Die Wasserstoff-Ionen hingegen fließen mit dem Wasser nach unten.

Zwischen dem oberen Bereich des Versuchs und dem Wasser unterhalb des Rohrs entsteht eine elektrische Spannung, die durch elektrische Leiter einem Stromkreislauf zugeführt werden kann. Bei Versuchen reichten 20 Sekunden Propfenströmung in vier Röhrchen aus, um beispielsweise 12 LED-Lampen ebenso lang leuchten zu lassen.

Die Pfropfenströmung ist anderen Strömungsarten im Rohr haushoch überlegen. Während in einem Röhrchen mit einem Durchmesser von einem Millimeter und kontinuierlicher Strömung nur eine Leistung von 0,0016 Mikrowatt erzeugt werden konnte, betrug sie bei der Pfropfenströmung in einem zwei-Millimeter-Rohr 170,8 Mikrowatt. Andere Strömungsarten, wie die Pfropfen-Tropfen-Strömung, die Tropfenströmung oder das Rinnsal, das die Rohrwand nicht berührte, lagen dazwischen. Der Wirkungsgrad lag beim Zwei-Millimeter-Rohr bei 4,03 Prozent; er konnte durch Optimierungen auf 10,4 Prozent gesteigert werden.

Bisher sei die Stromerzeugung durch die Nutzung konstant getrennter Ladung an der Fest-Flüssig-Grenzfläche nicht als praktikable Energiequelle angesehen worden, schreiben Soh und Kollegen und ergänzen: "Wir haben festgestellt, dass die Pfropfenströmung grundsätzlich eine einzigartige Grenzflächenchemie beinhaltet, die ein enormes chemisches Potenzial für die Ladungstrennung besitzt."

Noch ist die Technik im Mini-Maßstab erprobt. Doch sie sei einfach einzurichten und ihr Einsatz überall möglich, zum Beispiel auch auf Hausdächern, schreiben die Forscher. Es könnten etliche Röhrchen nebeneinander gestellt werden und bei Regen Energie gewinnen. "Somit ist die Pfropfenströmung zur Gewinnung erneuerbarer Energie aus der Natur eine effektive und umweltfreundliche Stromquelle mit vielen Vorteilen gegenüber anderen alternativen Energieformen", schließen die Forscher.

Stefan Parsch