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Kulturpass Frankreich verschenkt ein Tinder für Kultur - und 500 Euro Guthaben

Kulturpass Frankreich
Kunst entdecken per Smartphone: Rabatte und eine App sollen Frankreichs Jugend neugierig machen auf Kultur
© mauritius images / EQRoy / Alamy
Im Tinder-Stil soll die App "Le pass Culture" Frankreichs Jugend für Kultur begeistern. Bei den Kosten will Präsident Macron auch Firmen wie Facebook, Google und Apple in die Pflicht nehmen

Ins Ballett? Zum Trommelkurs? Oder Tickets für ein Konzert reservieren? In Frankreich können Jugendliche künftig mit der App „pass Culture“ auswählen, welche kulturelle Veranstaltung sie besuchen wollen. Die Angebote werden im Stil der Dating-App Tinder präsentiert, auf dem Display erscheinen etwa Aufnahmen von Theateraufführungen, Buchcover oder Filmplakate.

Bei Desinteresse wischt der Nutzer das jeweili­ge Bild auf dem Smartphone nach links. Gefällt ein Tipp hingegen, wischt er nach oben und erhält weitere Informationen.

Kulturpass mit 500 Euro Guthaben

Diesen Kulturpass soll ab Frühling 2019 jeder Jugendliche erhalten. Damit verbunden ist ein Guthaben von 500 Euro zu seinem 18. Geburtstag. So will der französische Präsident Emmanuel Macron junge Erwachsene für die kultu­rellen Werte ihres Landes begeistern – und dem politischen und religiösen Fanatismus entgegenwirken. Außerdem nennt der Kulturpass bevorzugt lokale Veranstaltungen.

Wie sie den Guthabenbetrag investieren, entscheiden die Anwender der App weitgehend selbst. Allerdings ist deren Algorithmus so konzipiert, dass sie regelmäßig auch ungewöhnliche Vorschläge unterbreitet, also Angebote, die sich deutlich von den bisherigen Favoriten des Nutzers unterscheiden – denn schließlich sollen die Jugendlichen mit dem Programm auch kulturelles Neuland entdecken.

Reger Schwarzmarkthandel mit den Rabatten

Kritiker befürchten dennoch, dass vom „pass Culture“ in erster Linie Technikkonzerne und die Filmbranche in Hollywood profitieren könnten, traditionelle Kulturinstitutionen oder die Independentszene dagegen leer ausgehen. Sie verweisen auf schlechte Erfahrungen in Italien: Dort wurde 2016 nach demselben Prinzip der „Bonus Cultura“ eingeführt.

Doch nutzten bei Weitem nicht alle italienischen Jugend­lichen das Angebot, zudem entwickelte sich mit den Rabatten ein reger Schwarzmarkthandel. Und einige Geschäfte deklarierten selbst Schulhefte oder Spielkonsolen als Kulturgut.

Ein Konzept für die ganze EU?

Frankreich will diese Gefahren umgehen: Auf reinen Verkaufsplattformen wie Amazon oder für ­Streamingdienste wie Netflix und Spotify dürfen die Pass­inhaber nur begrenzt Bonusguthaben ausgeben.

Außerdem will Präsident Macron die Digitalwirtschaft stärker in die Pflicht nehmen: Die Branche profitiere von der Kultur, investiere aber kaum in sie.

Deshalb trägt die private Wirtschaft, darunter Firmen wie Google, Facebook und Apple, jetzt 80 Prozent der Kosten für den „pass Culture“. Insgesamt kostet der Pass etwa 430 Millionen Euro pro Jahr.

In Zukunft könnte das Konzept noch ausgeweitet werden: Dann würden Jugendliche EU-weit einen derartigen Kulturpass erhalten.

GEO Nr. 01/2019 - Der Rebell Gottes

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