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Pilze bestimmen Worauf Sie beim Pilzesammeln achten sollten

Waldpilz
Bei den eigentlich schmackhaften Seitlingen ist Vorsicht geboten: Manche Arten sind extrem giftig
© Ramon Haindl
Sie sind weder Pflanze noch Tier, sprießen oft über Nacht aus dem Boden und entfalten – richtig zubereitet – eine Vielfalt köstlicher Aromen: Pilze zählen zu den schmackhaftesten Delikatessen des Waldes. Der Experte Dietmar Krüger erklärt, wo und wann man die Fungi, wie Biologen sie nennen, am besten findet – und warum der Wald ohne Pilze gar nicht existieren könnte

Herr Krüger, was fasziniert Sie so sehr an Pilzen?

Pilze sind überaus beeindruckende Wesen, die ein eigenes Reich des Lebens bilden, weder Pflanze noch Tier sind. Es handelt sich um Organismen, die im Wesentlichen aus einem
unvorstellbar großen Netz hauchzarter Fäden bestehen, die sich teils Hunderte Meter weit in den Waldboden erstrecken. Das, was wir mit bloßem Auge als Pilze wahrnehmen, sind also nur kleine Teile riesiger Lebewesen. Zudem sind die Fruchtkörper, also die oberirdischen Organe der Pilze, eine oft verkannte Delikatesse. Bei meinen Seminaren und Wanderungen, die ich insbesondere für Unkundige anbiete, erlebe ich immer wieder, wie erstaunt viele Menschen über die Vielfalt schmackhafter
Pilze in deutschen Wäldern sind.

Welche wild wachsenden Pilze empfehlen Sie den Teilnehmern?

Ich finde Parasolpilze fantastisch, das sind hochwachsende Riesenschirmlinge, sehr ergiebig, nussig im Geschmack. Der Hut lässt sich gut panieren – für mich das beste vegetarische Schnitzel der Welt. Fast alle, die ihn probieren, sind begeistert. Oder die Krause Glucke, deren ockergelblicher Fruchtkörper mit seinen krausen Verzweigungen an einen Badeschwamm erinnert. Die Fruchtkörper werden zehn bis 40 Zentimeter breit und mitunter fünf Kilogramm und mehr schwer. Als Wurzelparasiten von Nadelhölzern findet man sie vergleichsweise einfach vor allem auf Kiefern. Der Pilz hat einen ganz unverwechselbaren Geruch, sein Geschmack erinnert an Walnüsse. Wer sagt, er möge keine Pilze, hat womöglich bisher nur wenige Arten probiert. Tatsächlich ist die Bandbreite der Aromen immens. Und vor allem: Für mich zählen Pilze zu den ehrlichsten und wichtigsten Lebensmitteln.

Parasolpilz
Der Parasolpilz ist sehr ergiebig und nussig im Geschmack. Gut paniert, lässt sich der Hut zu einem köstlichen vegetarischen Schnitzel braten, so Dietmar Krüger
© Ramon Haindl

Wieso das?

Anders als die meisten vegetarischen Lebensmittel sind Waldpilze nie von Menschenhand beeinflusst oder durch Züchtung verändert worden. Wenn ich darauf achte, was ich sammle und wo ich sammle, kann ich meiner Gesundheit sehr viel Gutes tun. Viele Pilze enthalten reichlich Vitamine, zum Beispiel Vitamin D, das der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann. Einige wiederum haben besondere Zuckerverbindungen, von denen man weiß, dass sie schädliche freie Radikale im Körper bekämpfen. Daher spielen diese Pilze, etwa der Shiitake, in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine so große Rolle. In Japan stellt man aus ihnen sogar ein Anti-Krebs-Mittel her.

Also sollten Pilze in unserer Ernährung einen viel höheren Stellenwert haben?

Absolut. Zumal Speisepilze ganzjährig im Wald zu finden sind – nicht bloß im Herbst, wie viele Menschen annehmen. Es stimmt zwar, dass im Herbst tonnenweise Pilze aus dem Boden schießen. Das liegt daran, dass die meisten Pilze Zersetzer sind, gewissermaßen die Abfallbeseitiger des Waldes. Und vor allem im Spätherbst, wenn das Laub fällt und die Böden ausreichend feucht sind, ist der Tisch für diese Arten reich gedeckt. Viele Menschen sagen dann: Jetzt ist Pilzzeit. Doch viele dieser im Herbst wachsenden Spezies sind für uns Menschen gar nicht genießbar. Wer erst im Herbst in den Wald geht, hat das Beste bereits verpasst. Im Frühling fängt die Morchel-Saison an, Ende Mai, Anfang Juni kommen die ersten Steinpilze und Pfifferlinge empor, und selbst im Winter gedeihen schmackhafte Pilze wie der Samtfußrübling – eine Spezies mit orangebraunem Hut, die dem Frost trotzt und sich wunderbar in Suppen macht: spendet sie uns doch gerade in der kalten Jahreszeit viel Vitamin C.

Wald
Pilze sprießen nicht nur im Herbst, auch im Frühjahr und Sommer lassen sich viele schmackhafte Arten aufspüren – etwa der Schwarzhütige Steinpilz
© Ramon Haindl

Worauf ist zu achten, wenn man keine Erfahrung hat und die Lust verspürt, Pilze im Wald zu sammeln?

Da viele auch unscheinbar wirkende Spezies ungenießbar sind und zu leichten bis lebensbedrohlichen Vergiftungen führen können, geht es nicht ohne entsprechendes Wissen: Was wir als Nahrung zu uns nehmen, müssen wir zweifelsfrei identifizieren, bestimmen. Das kann ich nur lernen, wenn es mir jemand korrekt beibringt. Daher empfehle ich jedem, der sich nicht auskennt, beispielsweise eine Pilzschule zu besuchen, in der zertifizierte Experten die nötige Fachkenntnis vermitteln. Eine andere Möglichkeit sind Volkshochschulen oder Naturschutzverbände, die Pilzwanderungen anbieten. Wichtig ist, sich nur an Experten mit einem offiziellen, gültigen Sachverständigenausweis zu halten – etwa von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.

Weshalb überhaupt sind manche Pilze giftig, andere dagegen gar nicht?

Pilze stellen eine Fülle höchst potenter Wirkstoffe her, die sie zum Überleben benötigen. Schließlich besitzen sie keinerlei mechanische Abwehrwaffen – und können Feinden nicht entfliehen. Auch fehlen ihnen Zähne, Magen und Darm, um ihre Nahrung zu erschließen. Viele Pilze produzieren daher hochwirksame Eiweißstoffe, die sie ausscheiden und mit deren Hilfe sie komplexe organische Verbindungen in kleinere Moleküle aufspalten. Dank dieses Tricks können sie die Nahrung quasi außerhalb ihres Körpers zerlegen – und benötigen anders als Tiere keine Verdauungsorgane wie Magen und Darm. Die aufgespaltenen Moleküle, die etwa von Blattlaub stammen, nehmen sie einfach mithilfe von Flüssigkeit in ihr Inneres auf. Das chemische Arsenal der Pilze kann in dem einen Fall Segen für den Menschen sein, in dem anderen Fluch.

Spindeliger Rübling
Spindeliger Rübling: duftet nach Zimt – ist aber ungenießbar
© Ramon Haindl

Welche Stoffe sind nützlich?

Der Pilz Penicillium notatum etwa produziert eine Substanz, die Bakterien abtötet und dadurch zum ersten Antibiotikum der Menschheit wurde. In der Antike galt der Lärchenporling als Allheilmittel, in Russland sowie allgemein in der asiatischen Naturheilkunde sind bis heute viele verschiedene therapeutisch wirksame Pilze bekannt, die dort teilweise auch in der Krebstherapie eingesetzt werden. Die Substanzen anderer Pilze wiederum sind hochgiftig und werden unkundigen Sammlern zuweilen zum Verhängnis.

Gibt es Faustregeln? Etwa: Pilze mit rotem Hut sind immer giftig.

Nein, leider nicht. Daher muss man sich unbedingt mit den jeweiligen Arten beschäftigen. Es genügt ja, beim Sammeln erst einmal mit den Pilzen zu beginnen, die man gut kennt.

Dietmar Krüger
Waldpilze enthalten viele gesunde Substanzen wie etwa Mineralstoffe und Vitamine, so Krüger
© Ramon Haindl

Was halten Sie von Smartphone-Apps, die bei der Pilzbestimmung helfen sollen?

Ich rate davon ab, sich auf Angaben in Online-Foren oder auf eine Software zu verlassen. Wer das tut, nimmt die Sache nicht ernst genug. Die eigene Expertise ist unabdingbar. Eher kann ich ein offizielles Bestimmungsbuch empfehlen, das im Zweifelsfall zur Klärung beiträgt. Die Verwechslungsgefahr ist einfach sehr groß, deswegen muss ich mir wirklich sicher sein, ob ich ein genießbares Exemplar in Händen halte – oder ein giftiges, das womöglich fast identisch aussieht.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Das Stockschwämmchen, ein kleiner Pilz mit braunem Hut und fantastischem Aroma, ähnelt stark dem Gifthäubling. Man kann beide Arten anhand bestimmter Kriterien wie Geruch, Beschaffenheit verschiedener Teile des Fruchtkörpers oder Textur auseinanderhalten – dabei ist es jedoch unabdingbar zu wissen, was genau es zu prüfen gilt. Dafür reicht es eben nicht, ein Foto mit der Datenbank abzugleichen. Diese Expertise muss sich jeder selber aneignen – und zwar am besten auf einer oder mehreren mehrtägigen Veranstaltungen. Denn die nötige Erfahrung erwirbt man nur durch eine gewisse Regelmäßigkeit. Ich biete zum Beispiel Wochenendkurse an, die nicht nur aus Lehrwanderungen im Wald bestehen. Die Teilnehmer lernen zudem, was sie bei der Zubereitung von Pilzen beachten müssen. Denn so erstaunlich es klingen mag: Viele Vergiftungen gehen nicht auf giftige Pilze zurück, sondern auf den falschen Umgang mit dem Lebensmittel Pilz.

Lesen Sie das gesamte Interview in GEOkompakt.

GEO Kompakt Nr. 52 - Unser Wald

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