Artenvielfalt Neue Studie: Nirgends wimmelt es so von Arten wie im Boden

Springschwänze, hier Dicyrtomina minuta, sind nur ein, zwei Millimeter lang und haben eine blassgoldene Farbe. Sie tragen im Boden zur Humusbildung bei
Springschwänze, hier Dicyrtomina minuta, sind nur ein, zwei Millimeter lang und haben eine blassgoldene Farbe. Sie tragen im Boden zur Humusbildung bei
© Andy Murray/dpa
Nicht die Regenwälder, nicht die Tiefsee: Böden sind das weltweit artenreichste Ökosystem, zeigt eine Analyse. Rund 60 Prozent aller Arten leben dort. Auch deshalb sollten Böden beim Naturschutz stärker berücksichtigt werden, fordert das Forschungsteam

Die Artenvielfalt blüht in Baumkronen, der Tiefsee und an Korallenriffen. Aber nirgends wimmelt es so von Arten wie unter unseren Füßen. Böden seien weltweit das artenreichste Ökosystem, berichtet ein Forscherteam aus der Schweiz in den Proceedings der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS). 59 Prozent aller bekannten Arten leben dort, schätzen die Forscher, und nicht nur 25 Prozent wie bislang angenommen.

Das Team verweist zum Beispiel auf Springschwänze, eine urtümliche Form der Sechsbeiner, die nicht zu den Insekten zählt. Dazu gehören der bis zu 17 Millimeter lange Holacanthella spinosa, der in Neuseeland vorkommt, oder Dicyrtomina minuta, der nur ein, zwei Millimeter lang wird, kugelig aussieht und eine blassgoldene Farbe hat. Springschwänze tragen im Boden zur Humusbildung bei. Viele von ihnen haben eine Sprunggabel am Körper und können sich so bei nahender Gefahr sprunghaft aus dem Staub machen.

Etwa 3,8 Prozent aller Säugetierarten leben in Böden

Das Team hat Bakterien, Viren, Pilze und etliche andere Lebewesen studiert. Viele davon sind wichtig für den Nährstoffkreislauf oder die Kohlenstoffspeicherung. Andere sind Krankheitserreger oder Partner der Bäume. Bei den Säugetieren leben nach den Schätzungen nur 3,8 Prozent aller bekannten Arten im Boden. Aber bei Pilzen sind es 90 Prozent, bei Pflanzen und ihren Wurzeln 86 Prozent und bei Weichtieren wie Schnecken rund 20 Prozent. Schwierig sei die Abschätzung bei Bakterien und Viren, schreiben Hauptautor Mark Anthony von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf und seine Kollegen.

Sie haben für die Studie nicht selbst gebuddelt, sondern die Fachliteratur durchforstet. Beteiligt an der Studie waren auch Forschende der Universität Zürich und der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Agroscope. Vielfach gebe es große Wissenslücken, schreiben sie. So reiche die Spanne beim Anteil der Bakterien, die im Boden leben, je nach Region von 25 bis 88 Prozent. Ihre Studie sei nur ein erster Anlauf, weitere Forschung sei nötig.

"Die Studie soll ein Beitrag für Entscheidungen über einen besseren Bodenschutz sein. Die Böden stehen enorm unter Druck, sei es durch landwirtschaftliche Intensivierung, den Klimawandel, invasive Arten und vieles mehr", zitiert die WSL Anthony. "Unsere Studie zeigt, dass die Vielfalt in den Böden groß und entsprechend wichtig ist und sie somit im Naturschutz viel stärker berücksichtigt werden sollte."