Pilze sind so etwas wie die heimlichen Herrscher des Bodens – für die allermeisten Ökosysteme unerlässlich und doch leicht zu übersehen. Nun haben sie noch einmal an Bedeutung gewonnen: Forschende berichten in der Fachzeitschrift "Current Biology", dass Pilze gigantische Mengen Kohlenstoff aus der Luft im Untergrund speichern. In einer Metastudie kommt das Team um Heidi-Jayne Hawkins von der University of Cape Town in Südafrika auf 13,12 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Das entspricht etwa 36 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes, der durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern entsteht.
Pilze bilden Lebensgemeinschaften mit Pflanzen
Diesen Kohlenstoff gewinnen die Pilze allerdings nicht selbst. Sie gehen vielmehr eine wechselseitige Partnerschaft mit Pflanzen ein, die man Mykorrhiza nennt. Die Gewächse gewinnen dabei das Element mittels Photosynthese aus dem Kohlenstoffdioxid der Luft und wandeln es in energiereiche Kohlenstoffverbindungen um, zum Beispiel Zucker. Diese Verbindungen pumpen sie in den Boden und übergeben sie dort über ihre Feinwurzeln an die Pilze.
Im Austausch versorgen die Mykorrhiza-Pilze wiederum die Pflanzen mit Mineralstoffen, Phosphor, Stickstoff oder Wasser. Sie selbst sind zur Photosynthese nämlich nicht fähig. Dafür verfügen Pilze über ein ausgedehntes Fadennetzwerk, das Myzel, mit dem sie Nährstoffe aus entlegenen Bodenschichten und wahrscheinlich sogar Gestein "schürfen" können. Manche sind darüber hinaus in der Lage, kleine Insekten wie Springschwänze zu töten und aus deren Körpern Stickstoff herauszulösen.
Den Kohlenstoff nutzen die Pilze als Baumaterial
Einen Teil der Kohlenstoffverbindungen, die sie von Pflanzen erhalten, verbrennen die Pilze für ihren Energiestoffwechsel und setzen dabei wieder CO2 frei. Den Rest nutzen die Pilze als Baumaterial, um ihr Fadennetzwerk auszudehnen und klebrige Ausscheidungen zu produzieren, die den Boden stabilisieren.
Da die allermeisten der ausgewerteten Studien jedoch Momentaufnahmen sind, ist unklar, ob dieser Teil des Kohlenstoffs dauerhaft in der Bodenstruktur gebunden bleibt oder langfristig wieder in die Atmosphäre gelangt, etwa wenn die Pilze sterben und abgebaut werden. Bei diesem Prozess spielen "Saprophyten" eine entscheidende Rolle. Das sind wiederum Pilze, die organische Substanz zersetzen und noch weitgehend unerforscht sind.
Könnten Pilze Teil der Klimalösung sein?
Obwohl bereits bekannt war, dass 70-90 Prozent der Landpflanzen Lebensgemeinschaften mit Pilzen bilden, wurde deren Potenzial als Kohlenstoffspeicher lange übersehen, sagt Hawkins. Für die Metastudie hat sie zusammen mit Kolleginnen und Kollegen 200 Datensätze aus Dutzenden Studien ausgewertet und erstmals abgeschätzt, wie viel Kohlenstoff global über die Pflanz-Pilz-Beziehungen in den Boden gelangt. Das Team schlussfolgert etwa, dass Pflanzen drei bis 13 Prozent des Kohlenstoffs, den sie aus der Luft gewinnen mit ihren Pilz-Partnern teilen. Allerdings weisen die Forschenden darauf hin, dass die Ergebnisse vorläufige als Schätzungen sind. Die Zahl könnte noch deutlich darüber liegen, weil eher konservativ gerechnet wurde. Aber auch darunter.
Inwiefern sich Pilze zur Kohlenstoffspeicherung gezielt nutzen lassen, ist indes noch ungewiss. Hawkins hofft aber, dass die Erkenntnisse helfen können, vorhandene Ökosysteme zu schützen und Wälder aufzuforsten, die gesund sind und langfristig mehr CO2 speichern als freisetzen. Etwa indem Bäume bei der Pflanzung mit passenden Pilzen geimpft werden, die sie mit Nährstoffen versorgen und zugleich Kohlenstoff im Boden festhalten.
Der Kohlenstoffkreislauf muss überdacht werden
In jedem Fall fordern Hawkins und ihr Team, den Beitrag von Pilzen zum globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu erforschen und künftig in Klimamodellen und politischen Entscheidungen stärker zu berücksichtigen. Denn Bodenerosion, Flächenversiegelung, intensive Landwirtschaft und damit verbunden massiver Fungizideinsatz drängen die Mykkorhiza zurück; und machen damit nicht nur nützliche Lebensgemeinschaften, sondern auch eine potenzielle Kohlenstoffsenke zunichte. "Viele menschliche Aktivitäten zerstören die unterirdischen Ökosysteme. Wir müssen nicht nur die Zerstörung eindämmen, sondern auch das Tempo der Forschung radikal erhöhen", sagt Koautor Merlin Sheldrake.
Organisationen wie SPUN, the Fungi Foundation, und GlobalFungi haben bereits globale Kampagnen gestartet, um möglichst viele Pilzproben aus Böden zu gewinnen und ein Verzeichnis des weltweiten Pilznetzwerks zu erstellen. Damit wir die unterirdischen Ökosysteme eines Tage noch besser verstehen – und vielleicht auch nutzen können.