Medizin des Mittelalters Rosenöl gegen Kopfweh und Eidechsenshampoo für gesundes Haar

Keine bloß dunkle Epoche: Laut neuen Forschungsergebnissen war die Medizin im Mittelalter weitaus fortschrittlicher als bisher gedacht, und einige ihrer Heilmittel sind heute auf TikTok im Trend 
Keine bloß dunkle Epoche: Laut neuen Forschungsergebnissen war die Medizin im Mittelalter weitaus fortschrittlicher als bisher gedacht, und einige ihrer Heilmittel sind heute auf TikTok im Trend 
© Science Source / NYPL / mauritius images
Ein internationales Forschungsprojekt zeigt, dass Menschen im Mittelalter sich intensiv mit Medizin beschäftigten und pflanzliche Heilmittel nutzten

Menschen im Mittelalter waren fortschrittlicher, als die Forschung bisher annahm. Sie kümmerten sich weitaus mehr um ihre Gesundheit und nutzten pflanzliche Heilmittel zu medizinischen Zwecken. Das ist das Ergebnis eines internationalen Forschungsprojekts. 

Sie "waren auf der Suche nach Heilmitteln, wollten die Natur beobachten und in dieser als 'dunkles Zeitalter' bekannten Epoche alle Informationen notieren, die sie finden konnten", sagte Meg Leja, Außerordentliche Professorin für Geschichte an der Universität Binghamton und Teil des Forschungsteams. "Sie beschäftigten sich viel intensiver mit Medizin als bisher angenommen wurde." Auf der Grundlage des besten Wissens, über das die Menschen damals verfügten, entwickelten sie verschiedene Praktiken und Rezepte, um ihre Gesundheit zu verbessern. 

Das Projekt untersuche zahlreiche Handschriften aus der Zeit vor der Revolution der Schule von Salerno im 11. Jahrhundert. Die Forschungsanstalt der süditalienischen Stadt war eine der ersten medizinischen Hochschulen Europas und spielte im 10. bis 13. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der westlichen Medizin. Hunderte dieser Schriften enthielten Informationen über mittelalterliche Gesundheitslehren. Die Forschenden identifizierten medizinische Handschriften, die in früheren Katalogen nicht berücksichtigt worden waren. Diese wurden im Handschriftenkatalog Corpus of Early Medieval Latin Medicine (CEMLM) aufgenommen. 

Der Forschungsverbund teilt mit, dass sich dadurch die Zahl bekannter medizinischer Manuskripte aus dem Mittelalter fast verdoppelt hat. Sie könnten unser Verständnis über diese Zeit und ihre Heilkunde grundlegend verändern, so die Forschenden um Professorin Leja. 

"Es stimmt, dass wir für diese Zeit nur über sehr wenige Quellen verfügen. In diesem Sinne ist sie "dunkel". Aber nicht im Sinne einer "wissenschaftsfeindlichen" Haltung – die Menschen im frühen Mittelalter waren sehr an Wissenschaft interessiert, an Beobachtungen, daran, die Nützlichkeit verschiedener natürlicher Substanzen herauszufinden sowie Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen", sagte Leja.

Eine Pflanze ist auf einer mittelalterlichen Schrift dargetsellt
Nicht alle Menschen im Mittelalter begnügten sich mit Aberglauben. Einige entwickelten für das Wissen ihrer Zeit fortschrittliche Gesundheitskuren
© Koninklijke Bibliotheek National Library of the Netherlands

Unter anderem entdeckten die Forschenden eine bewährte Rezeptur gegen Kopfschmerzen. Die Schrift empfiehlt eine Mixtur aus einem zerkleinerten Pfirsichkern und Rosenöl, die der Patient auf der Stirn verreiben soll. Das mag seltsam klingen, aber eine 2017 veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass Rosenöl tatsächlich helfen kann, Migräne-Schmerzen zu lindern.

Einige der Rezepte ähneln auch den Gesundheits-Tipps moderner Influencer, von Salben bis hin zu Entgiftungskuren. "Viele Dinge, die man in diesen Manuskripten findet, werden derzeit online als alternative Medizin beworben, aber es gibt sie schon seit Tausenden von Jahren", sagte Leja. 

In einem Kodex aus London, datiert auf das späte 9. Jahrhundert, fanden die Forschenden ein Mittel für "wallendes Haar". Die Anweisungen "ähneln einem Rezept für ein Shampoo oder eine Spülung, bei der der Kopf zunächst gründlich gereinigt, wonach eine zweite pflegende Mischung aus Eidechsenasche und Öl aufgetragen wird", so Carine van Rhijn, Dozentin für mittelalterliche Geschichte an der Universität Utrecht und Teil des Projektteams. Es handele sich also um eine Art auf Eidechsenshampoo.

Forschende verschiedener Universitäten aus den USA und Europa haben in den vergangenen Jahren an dem Handschriftenkatalog gearbeitet. Finanziert wurde das Projekt von der British Academy. Der Corpus of Early Medieval Latin Medicine wurde von Forschenden aus Binghamton, Fordham, St. Andrews, Utrecht und Oslo erstellt und ist online verfügbar. Das Team wird den Katalog weiter mit Manuskripten aktualisieren und arbeitet an neuen Ausgaben und Übersetzungen medizinischer Texten für Lehrzwecke.

rwe

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