Was ist der Teppich von Bayeux?
Kein Teppich, sondern ein mit Bildern und kurzen Texten bestickter Wandbehang. Und zwar einer von gewaltigen Ausmaßen. Gefertigt aus mehreren zusammengenähten Leinenbahnen, misst er 68,38 Meter in der Länge und ist zwischen 45,7 und 53,6 Zentimeter hoch. Angefertigt wurde er im 11. Jahrhundert, einige Jahre nachdem der Normanne Wilhelm, Herzog der Normandie, mit seiner Invasionsflotte 1066 England erobert und die Herrschaft darüber an sich gerissen hatte.
Warum ist er so wichtig?
Der Teppich von Bayeux erzählt ausführlich vom größten Triumph der Normannen, deren Vorfahren – räuberische Seefahrer aus Skandinavien, besser bekannt als Wikinger – einst dem westfränkischen König eine eigene Herrschaft an der Kanalküste abgetrotzt hatten, die spätere Normandie. Mit dem Sieg über die Engländer im Herbst 1066 erreichen die Normannen den Gipfel eines spektakulären Aufstiegs. Binnen 150 Jahren haben sie sich von Piraten zu Königen aufgeschwungen und durch ihr Tun die englische und französische Geschichte aufs Engste miteinander verwoben.
Was genau zeigt der Teppich?
Exakt 626 menschliche Figuren, 202 Pferde und Maultiere, 55 Hunde, 505 weitere Tiere, 37 Gebäude oder Festungen, 41 Schiffe und den Halley'schen Kometen. Minutiös berichten die in gefärbten Wollfäden ausgeführten Stickereien des Bildteppichs von der Vorgeschichte der Invasion ab dem Jahr 1064, dem tatsächlichen Angriff zwei Jahre später und dem Sieg der Normannen am 14. Oktober 1066 in der Schlacht bei Hastings über den angelsächsischen König. Das Ende des Teppichs ist zwar verloren, gut möglich aber, dass es die Krönung von Herzog Wilhelm am 25. Dezember 1066 zum König von England gezeigt hat.
Wer hat das Meisterwerk in Auftrag gegeben?
Vermutlich wurde der Wandbehang im Auftrag des Bischofs von Bayeux, eines Halbbruders von Wilhelm dem Eroberer, angefertigt. Ob Bischof Odo dabei schon die Verwendung in der Kirche oder einem Palast beabsichtigt hat, ist nicht mit Gewissheit zu sagen.
Wo wurden die Stickereien ausgeführt?
Der Herstellungsort des Teppichs ist unbekannt. Allerdings spricht viel – unter anderem die Ausführung der Buchstaben und die Schreibweise einiger Wörter – dafür, dass er in Südengland angefertigt worden ist.
Weshalb ist seine Herausgabe so umstritten?
Der Teppich von Bayeux dokumentiert, wie der Herzog der Normandie England unterwirft. In seinen Bildern manifestiert sich ein Urkonflikt der beiden Herrscherhäuser links und rechts des Ärmelkanals. Denn als Herzog der Normandie, die Wilhelm als Lehen von der französischen Krone gegeben worden ist, bleibt der neue König von England ein Vasall des Königs von Frankreich, de facto ein Untergebener.
Im 14. Jahrhundert wird diese Konstellation zu einer Reihe von militärischen Auseinandersetzungen führen, die Historiker später unter der Bezeichnung Hundertjähriger Krieg zusammenfassen werden. Und auch nach dessen Ende 1453 bleibt die Rivalität zwischen den beiden Nationen erhalten, setzt sich fort im Ringen um die Vormacht auf den Weltmeeren, um Kolonien in Übersee und ist bis heute noch ab und an zu spüren.
1953 hat Großbritannien schon einmal vergeblich versucht, den Teppich von Bayeux auszuleihen, damals anlässlich der Krönung Elisabeths II. Und auch jetzt regt sich Widerstand, das unersetzbare textile Kunstwerk, das zugleich eine historische Quelle von unschätzbarem Wert ist, nach London auszuleihen. Allerdings aus konservatorischen Gründen. "Eine sorgfältige Untersuchung im Jahr 2021 hat die Fragilität des Textils gezeigt – von 24.204 Flecken, 16.445 Falten, 30 Rissen und 9646 Lücken ist die Rede", fasst die Historikerin Viola Skiba in einem kurzen Artikel über den Teppich zusammen. Die Herausforderungen an alle Beteiligten sind nicht gering.
Wie geht es weiter?
Nach aktuellen Planungen wird der Teppich von Bayeux 2026 im Britischen Museum in London zu sehen sein, in einer großen Sonderausstellung. Auch zur Feier von fast 1000 Jahren gemeinsamer Tradition. So formuliert es die Stadt Bayeux, deren Bürgermeister dafür ist, den Teppich auszuleihen.