Kein Bildnis von ihm ist überliefert. Kein Nachbar, kein Freund scheint festgehalten zu haben, wie er aussah. Und so ist das einzige Porträt von Thomas Thistlewood eines, das er selbst erschaffen hat. Nicht mit Pinsel und Farbe, sondern mit Wörtern – niedergeschrieben in den Dutzenden Bänden seines Tagebuchs.
Es ist die einzigartige Chronik einer Sklavenhalter-Karriere im Jamaika des 18. Jahrhunderts. Und sie zeigt einen Mann, so grausam und widersprüchlich wie die Welt, in der er lebt.
Thistlewood ist ein sadistischer Schläger, der auf seine Leibeigenen eindrischt, bis die Peitsche reißt – und ihnen dann Zitronensaft, Salz und Pfeffer in die klaffenden Wunden reibt. Zugleich aber ist er ein kultivierter Gentleman, der sich fast jedes Jahr von einem Händler in London eine Kiste mit Büchern in die Karibik schicken lässt, darunter die Gesammelten Werke des Philosophen Voltaire.
Er ist ein Mann mit monströser Sexualität, der tags und nachts auf der Plantage umherstreift, mehr als 100 Sklavinnen vergewaltigt und viele von ihnen mit Tripper und Syphilis infiziert. Dann wieder präsentiert sich der Engländer als sensibler Freund der Natur, der auf Jamaika einen viel bewunderten Garten anlegt, sich an der Schönheit einer Narzisse erfreut – aber nichts Verwerfliches daran findet, einem Sklaven das Gesicht zerschneiden zu lassen.