Auf dem Mutterkörper des Asteroiden Ryugu floss wohl noch mehr als eine Milliarde Jahre nach seiner Entstehung Wasser. Das schließt ein Forschungsteam aus der Analyse von Gesteinsfragmenten von Ryugu, die im Zuge des "Hayabusa 2"-Projekts zur Erde gebracht wurden. Bisher sei angenommen worden, dass es Wasseraktivität auf Asteroiden nur in den frühesten Momenten der Geschichte des Sonnensystems gab. Die neuen Erkenntnisse könnten sich daher auf Modelle zur frühen Erdgeschichte auswirken.
Das Verhältnis der Elemente Lutetium und Hafnium in den Proben wich der Studie zufolge vom erwarteten Wert ab – was die Forschenden um Tsuyoshi Iizuka von der Universität Tokio als Hinweis darauf werten, dass Lutetium aus dem Gestein ausgewaschen wurde. Die chemische Zusammensetzung von Ryugu weiche anders als erwartet stark von der auf der Erde untersuchter Meteoriten ab.
"Wir haben festgestellt, dass Ryugu eine unverfälschte Aufzeichnung der Wasseraktivität bewahrt hat, ein Beweis dafür, dass Flüssigkeiten viel später als erwartet durch seine Gesteine flossen", erklärte Iizuka. "Dies verändert unsere Vorstellung vom langfristigen Schicksal des Wassers in Asteroiden. Das Wasser blieb lange Zeit vorhanden und wurde nicht so schnell verbraucht wie angenommen."
Der wahrscheinlichste Auslöser für das Auswaschen des Lutetiums war demnach ein Einschlag auf dem Mutterasteroiden Ryugus, wodurch Gestein zerbrach und das darunter liegende Eis schmolz, so dass flüssiges Wasser durch den Brocken sickern konnte. "Das war eine echte Überraschung", erklärte Iizuka. "Dieser Einschlag könnte auch für die Zerstörung des Mutterkörpers verantwortlich sein, aus dem Ryugu entstanden ist."
Es ist schon lange bekannt, dass kohlenstoffhaltige Asteroiden, die aus Eis und Staub im äußeren Sonnensystem entstanden sind, die Erde mit Wasser versorgt haben. Zu dieser Gruppe von Asteroiden zählt auch Ryugus Mutterbrocken. Eine Schlussfolgerung aus den neuen Daten ist nun, dass die Asteroiden möglicherweise viel mehr Wasser enthielten und zur Erde brachten als bisher angenommen.
Hätten auf die junge Erde prallende Brocken tatsächlich geschätzt zwei- bis dreimal mehr Wasser transportiert als nach den Standardmodellen postuliert, hätte das erheblichen Einfluss auf die frühen Ozeane und die Atmosphäre unseres Planeten gehabt. Die Forschenden planen nun unter anderem, ihre Ergebnisse mit Proben zu vergleichen, die die US-Raumfahrtagentur Nasa vom Asteroiden Bennu gesammelt hat. Noch ist unklar, ob es dort ähnliche Wasseraktivitäten gegeben hat.
Falls auch andere Objekte so lange Eis gespeichert haben, legt das Iizuka zufolge nahe, dass die Ausgangsbedingungen für das Wassersystem unseres Planeten ganz anders waren als bisher gedacht – was unter anderem den Zeitpunkt beeinflusse, ab dem die Erde bewohnbar wurde.
Die Raumsonde "Hayabusa 2" der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa war 2014 gestartet und hatte den Asteroiden Ryugu 2018 erreicht. Kleine Roboter sammelten Daten, zudem wurde Material von der Oberfläche und aus einer tieferen Schicht gesammelt. Die Probenkapsel landete 2020 auf der Erde. Forschende erhoffen sich von der Analyse der Daten und Proben Einsichten in frühe Prozesse des Sonnensystems und mögliche Ursprünge des Lebens.