Ernährung Jäger, Sammler – und Fleischesser? Neue Studie zeigt, was Steinzeit-Menschen wirklich aßen

Menschen zerlegen und essen einen Büffel
Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch: Illustrationen wie diese prägten lange das einseitige Bild, Menschen in prähistorischen Gesellschaften hätten sich in erster Linie von Tieren ernährt
© Mary Evans Picture Library / dpa
Die frühen Jäger und Sammler sollen in erster Linie Fleisch gegessen haben, so eine weitverbreitete These. Nun hat ein Forschungsteam Knochenreste in Peru untersucht – und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis

Haben sich Menschen in der Steinzeit wirklich überwiegend von Fleisch ernährt? Eine neue Studie im Fachjournal "Plos One" weckt Zweifel an dieser weitverbreiteten Vorstellung. Denn Knochenreste aus Peru zeigen: Die Angehörigen früher Jäger- und Sammlerkulturen in der Andenregion jagten in erster Linie nicht etwa Tiere – sondern wilde Kartoffeln.

Für die Studie untersuchte der Archäologe Randall Hass von Universität von Wyoming in den USA mit einem Forschungsteam die sterblichen Überreste von 24 Personen. Sie lebten vor 6500 bis 9000 Jahren auf dem Altiplano, einer Hochebene in den Anden, 3700 Meter über dem Meeresspiegel. Hier hat das trockene, kalte Klima die Fossilien besonders gut konserviert.

Die Menschen ernährten sich bis zu 95 Prozent pflanzlich

Um die Ernährung der Menschen zu rekonstruieren, führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Isotopenanalyse durch. Varianten einiger chemischer Elemente mit unterschiedlichen Atommassen – Isotope – reichern sich in der Nahrungskette unterschiedlich stark an. So lässt sich aus dem Isotopengehalt in Knochen ablesen, was auf dem Speisezettel stand. 

Das Ergebnis der Studie: Die Isotopenwerte zeigten eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Konkret haben die Personen der Jäger- und Sammlerkulturen hauptsächlich sogenannte C3-Pflanzen verspeist, worunter Verwandte der Kartoffel fallen. Die US-Forschungsgruppe konnte sogar den pflanzlichen Anteil am Gesamtverzehr bestimmen: Demnach ernährten sich die Personen zu 70 bis 95 Prozent pflanzlich. "Fleisch spielte eine sekundäre Rolle", schreiben die Forschenden.

Passend dazu hat das Team um Randall Hass in der Nähe der menschlichen Knochen verkohlte Reste von Knollen gefunden, wahrscheinlich Vorläufern der heutigen Kartoffel. Abnutzungserscheinungen an den oberen Schneidezähnen deuten die Forschenden ebenfalls als Hinweise auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Das wenige Fleisch stammte wahrscheinlich vor allem von Vikunjas, Verwandten des Kamels, sowie von Hirschen. 

"Viele archäologische Untersuchungen zu Jägern und Sammlern konzentrieren sich auf die Jagd und eine fleischreiche Ernährung", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das liegt vor allem an steinzeitlichen Werkzeugen und bearbeiteten Tierknochen, wie Forschende sie immer wieder entdecken. 

Pflanzliche Ernährung nachzuweisen ist schwieriger als tierische

Auch in Peru konnte das Team am Fundort der menschlichen Überreste Steinwerkzeuge und Projektilspitzen sicherstellen. Allerdings lassen diese Entdeckungen allein keine grundsätzlichen Rückschlüsse auf die Ernährung zu: Steinwerkzeuge und Knochen erbeuteter Tiere können sich über Tausende Jahre erhalten – pflanzliche Ernährungsweisen nachzuweisen ist deutlich schwieriger. 

Das Studienergebnis deckt sich mit Erkenntnissen der Evolutionsbiologie. So deuten viele anatomische und physiologische Merkmale daraufhin, dass das menschliche Essen seit jeher stark pflanzlich geprägt war. 

Dazu zählt etwa der Schluckmechanismus, der sich von tierischen Fleischfressern unterscheidet, die ihre Nahrung in großen Brocken hinunterschlingen können. Und während der Körper klassischer Fleischfresser selbst Vitamin C bilden kann, ist der Mensch darauf angewiesen, dieses Vitamin über die Nahrung aufzunehmen. Das spricht dafür, dass der Wirkstoff in seiner Kost so reichlich vorhanden war, dass er auf die Eigensynthese verzichten konnte.

Die Studienergebnisse aus Peru lassen sich zwar nicht grundsätzlich auf Jäger- und Sammlerkulturen in anderen Regionen übertragen, dennoch sehen die Forschenden "die Notwendigkeit, das anthropologische Verständnis der Ernährung früherer Sammler im Allgemeinen neu zu bewerten". 

Archäologe Hass geht noch weiter: Er plädiert dafür, zumindest einige Gesellschaften in der Steinzeit nicht länger als Jäger- und Sammlerkulturen zu bezeichnen – sondern als Sammler- und Jägerkulturen.

mop