Vor 1100 bis 1300 Jahren haben sich Menschen in einer Höhle im nördlichen Mexiko erleichtert – und zwar immer wieder. Die trockenen Bedingungen konservierten ihre Hinterlassenschaften: Als Archäologen sie in den 1950er-Jahren ausgruben, stießen sie zwischen Knochen und pflanzlichen Nahrungsresten auf ausgetrocknete, gut erhaltene Stuhlproben. Eine neue Untersuchung gibt nun Einblicke in den Gesundheitszustand der Menschen – und der zahlreichen Bewohner ihres Darms.
Der versteinerte Kot stammt aus der "Höhle der toten Kinder" im Rio-Zape-Tal: Der Name geht auf die mindestens 17 Kleinkinder und Säuglinge zurück, die hier einst bestattet wurden. Manche Forschenden vermuten, dass es sich um ein rituelles Opferritual handelte. In der Region im nordwestlichen Mexiko lebten Menschen, die heute zur Loma-San-Gabriel-Kultur gezählt werden: Sie bauten Mais an, sammelten aber auch Wildpflanzen und jagten Tiere.
Madenwürmer im Darm
Die menschlichen Hinterlassenschaften in der Höhle stammen aus der Zeit zwischen 725 und 920 n. Chr. und wurden in der Vergangenheit schon einmal analysiert. Dabei stellten Forschende fest, dass sich die Menschen in der Region vor allem von Agaven ernährten – wie sie die Pflanzen zubereiteten, lässt sich allerdings nicht zurückverfolgen. Daneben fanden die Forschenden in den Paläofäkalien Hinweise für Früchte von Erdkirschen, Mais, Sonnenblumen, Amaranth und Gänsefüße.
Für die neue Studie konzentrierten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Mikrobiologen Drew Capone von der Indiana University jetzt auf Spuren von Darmmikroben: Sie extrahierten die DNA von zehn Stuhlproben, untersuchten diese auf verschiedene Krankheitserreger – und stellten eine ganze Reihe von Bakterien und Parasiten fest.
So litten Menschen damals etwa unter Shigellen-Bakterien, die heftigen Durchfall und Krämpfe verursachen können, schreibt das Forschungsteam in dem Fachmagazin "PLoS One". Heute ist Shigellose eine typische Reisekrankheit, die durch verunreinigtes Trinkwasser oder kontaminierte Lebensmittel ausgelöst wird.
Die Forschenden fanden auch Hinweise auf den parasitären Madenwurm Enterobius vermicularis: Die bis zu 13 Millimeter langen weiblichen Würmer leben im Dickdarm, kriechen nachts zum After, legen dort bis zu 10.000 neue Eier ab und können bei den Betroffenen heftigen Juckreiz auslösen. Zur Infektion mit Madenwürmern kommt es etwa durch das Verschlucken von Wurmeiern oder Larven.
Menschen litten unter Darminfektionen
Gerade dieser Befund des Forschungsteam wirft neue Fragen auf: Bislang ist umstritten, ob diese Madenwürmer in Amerika vor 1492 überhaupt verbreitet waren – oder ob Europäer den Parasiten in die für sie "Neue Welt" einschleppten, genau wie Infektionskrankheiten wie die Pocken. Da die untersuchte Anzahl der Fäkalien jedoch nur von zehn Menschen stammt, sei die Stichprobe zu klein, um weitreichende Schlüsse zu ziehen, erklären die Forschenden.
In jedem Fall lebten die Menschen im Rio-Zape-Tal unter schlechten hygienischen Verhältnissen. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Darminfektionen unter den Loma San Gabriel häufig vorgekommen sind", heißt es in der Studie.
In den vergangenen Jahrzehnten gewannen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Paläofäkalien zahlreiche Erkenntnisse: Eine 50.000 Jahre alte Stuhlprobe eines Neandertalers im südspanischen El Salt bewies etwa, dass die Frühmenschen keineswegs strikte Fleischesser waren, sondern sich auch reichhaltig von Beeren, Nüssen und Knollenpflanzen ernährten.