Landwirtschaft Satellitendaten enthüllen: Plastikfolien bedecken Fläche größer als Berlin

Spargelernte am Niederrhein, bei Wesel, Spargelfeld unter Thermofolie
Spargelernte am Niederrhein: Eine Maschine hebt den Folientunnel an, damit die Erntehelfer den Spargel stechen können
© Jochen Tack
Kunststoffe spielen im Gemüseanbau in Deutschland eine wichtige Rolle – gefährden aber auch die Umwelt. Forschende haben nun erstmals das genaue Ausmaß der "Plastikkultur" ermittelt

Plastikfolien sind aus der Landwirtschaft kaum noch wegzudenken: Sie werden beim Gemüse- und Spargelanbau genauso eingesetzt wie auf Erdbeerfeldern. Die Vorteile der "Plastikkultur" liegen auf der Hand: Durch den Witterungsschutz steigen die Erträge, die Landwirte sparen Wasser und Pflanzenschutzmittel. Die Kehrseite: Teile der eingesetzten Folien bleiben auch nach der Ernte auf dem Acker. Wo sie im Lauf von Jahrzehnten und Jahrhunderten zu Mikro- und Nanoplastik zerfallen – mit bislang kaum verstandenen Konsequenzen für die Bodenorganismen und die Bodenfruchtbarkeit. Gerade dünne Mulchfolien, die im Frühjahr den Boden warm, feucht und von Wildkräutern frei halten, zerreißen oft; ihre Fetzen sind kaum mehr von den Ackerflächen zu entfernen.

Zu den betroffenen Flächen in Deutschland gab es bislang kaum verlässliche Daten. Für eine ebenso innovative wie präzise Bestandsaufnahme griff nun ein Forschungsteam von der Universität Augsburg auf Daten von Erdbeobachtungssatelliten zurück.

Anhand von Radarbildern und Aufnahmen im Bereich des sichtbaren Lichts, ausgewertet mithilfe von maschinellem Lernen, ermittelten die Forschenden die von Plastik bedeckten landwirtschaftlichen Flächen. "Wir haben für das Jahr 2020 in Deutschland 140.000 Hektar Plastikmulchfolien und -abdeckungen identifiziert", sagt Alessandro Fabrizi, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe für Wasser- und Bodenressourcenforschung an der Universität Augsburg in einer Pressemitteilung.

Das entspricht der anderthalbfachen Größe von Berlin. Und übersteigt frühere Schätzungen anhand von Agrarstatistiken und Erhebungen für das Jahr 2019 um immerhin 40.000 Tonnen. "Satellitendaten geben uns ein Instrument an die Hand, mit dem wir den Plastikverbrauch auf Feldebene über mehrere Jahre hinweg überwachen können", sagt Fabrizi.

Folien machen nur einen kleinen Teil des Plastiks aus 

Die genaue Erfassung der Flächen, auf denen Plastik verwendet wird, sei entscheidend, um die Umweltauswirkungen von Plastikfolien auf Ackerflächen zu bewerten und geeignete Strategien dagegen zu entwickeln. Diese erste deutschlandweite Erfassung verschiedener Anwendungen von Plastikfolie liefere dafür eine gute Datengrundlage.

Daten zur tatsächlichen Kunststoffvermüllung durch die Landwirtschaft gibt es bislang kaum. Nach einer Studie aus dem Jahr 2021 gelangen in Deutschland jedes Jahr etwa 556 Tonnen Folien, Netze und Beschichtungen auf die Äcker.

Doch auch wenn Spargelfelder im Frühjahr weithin sichtbar sind: Die zur Abdeckung verwendeten Folien stellen nicht die bedeutendste Quelle für Kunststoff aus der Landwirtschaft dar – sondern Klärschlamm. Das Endprodukt der Kläranlagen wird bis heute als Dünger auf Feldern ausgebracht, obwohl es mit Kunststoff-Textilfasern verunreinigt ist. Etwa 8385 Tonnen Plastik gelangen so auf unsere Äcker – Jahr für Jahr. An zweiter Stelle folgt Plastik, das unabsichtlich auf landwirtschaftliche Flächen weht: 5800 Tonnen jährlich. Und auch Dünger trägt zu der unsichtbaren Vermüllung bei: Etwa 2520 Tonnen Kunststoffe gelangen jedes Jahr in deutsche Böden, die lediglich als Umhüllung von modernen Düngemitteln dienen.

Insgesamt, so schätzen die Autorinnen und Autoren der Studie, landen durch die Landwirtschaft jährlich 13.256 Tonnen Kunststoff in der Ackerkrume. Um für immer dort zu bleiben.