Spektakulärer Fund Rabiate Chirurgie: Mit diesem Werkzeug öffneten die Kelten Schädel

Keltisches Werkzeug für Gehirnoperationen
Dieses Werkzeug wurde wahrscheinlich vor mehr als zwei Jahrtausenden zur Öffnung von menschlichen Schädeldecken verwendet
© Dr. Bartłomiej Kaczyński via Arkeonews
Die Schädeldecke anzubohren war jahrtausendelang medizinischer Standard. Jetzt haben polnische Archäologen ein Werkzeug dafür in einer keltischen Siedlung entdeckt

Schon die Kelten praktizierten vor rund 2300 Jahren Schädelöffnungen, die sogenannte Trepanation. Darauf deutet ein Fundstück hin, das ein Archäologenteam im Frühjahr in der Grabungsstätte Łysa Góra im nordöstlichen Polen bergen konnte.

Das geschwungene Eisenwerkzeug stellte die Forschenden zunächst vor ein Rätsel. Doch eine Literaturrecherche ergab, dass es sich bei dem Gegenstand um eine Art Skalpell handeln muss, berichtet der Ausgrabungsleiter Bartłomiej Kaczyński vom Staatlichen Archäologischen Museum in Warschau in einer Presseerklärung.

Das chirurgische Werkzeug besteht aus einer Klinge, die an der Basis in einen Dorn übergeht – an dem wohl ein Holzgriff befestigt war.

Illustration Manching

Manching Vom Alltag in der Kelten-Metropole

Um 125 v. Chr. ist das im heutigen Bayern gelegene Manching eine der größten Kelten-Siedlungen. Eines Tages beschließen die Bewohner, eine gewaltige Mauer um ihre Stadt zu ziehen

Die Klinge sei sogar noch bedeutender als der Fund eines keltischen Helms im vergangenen Jahr, erklärt Kaczyński. Denn solche Werkzeuge seien bislang nur aus wenigen keltischen Fundstätten in Süd- und Mitteleuropa, darunter Rumänien, Kroatien und Österreich, bekannt.

Schädel aus Jericho mit 4 OP Öffnungen
Spuren eines Heilungsprozesses deuten darauf hin, dass dieser Mensch aus dem heutigen Westjordanland vor 2000 bis 2200 Jahren mehrfache Trepanationen überlebt hat
© Wellcome Library, London

Die Entdeckung deutet den Archäologen zufolge darauf hin, dass es in der Bevölkerung, die hier lebte, eine Person gab, die auf medizinische Behandlungen spezialisiert war – möglicherweise ein Druide. Solche Heilkundigen behandelten Erkrankungen vorrangig mit Kräutern – griffen aber, wenn nötig, auch zu schwererem Gerät.

Darüber, ob die Schädelöffnung dem oder der Erkrankten Linderung oder gar Heilung gebracht hat, ist nichts bekannt. Darüber könnte nur der Schädel des oder der Operierten Auskunft geben.

Kelten bevorzugten die Schabtechnik

Das Wort "Trepanation" ist vom griechischen Wort für "bohren" abgeleitet. Neben dem eigentlichen Bohren wurden Schädeldecken auch durch vorsichtiges Abschaben der Knochensubstanz geöffnet. Aus einer früheren Studie geht hervor, dass die meisten Kelten die Schabtechnik bevorzugten.

Das Operationsverfahren mutet martialisch an – gehörte aber jahrtausendelang weltweit zum medizinischen "Standard". Spuren solcher Eingriffe fanden sich etwa an Schädeln aus dem heutigen Spanien, Israel und Bolivien. Und viele der angebohrten Schädel weisen verheilte Knochenränder auf – ein Hinweis darauf, dass Menschen den hochriskanten Eingriff zumindest eine Zeit lang überlebt haben.

Unklar bleibt, ob und was genau mit der OP erreicht wurde. Als Motive kommen aus heutiger Sicht Initiationsriten oder Dämonenaustreibungen, aber auch die chirurgische Behandlung von Hirnblutungen oder Anfallserkrankungen infrage. Sehr wahrscheinlich hatten Eingriffe zur Zeit der Kelten einen eher symbolischen Wert, sagt Bartłomiej Kaczyński.

Die Fundstätte Łysa Góra ordnen die Archäologen der westbaltischen Hügelgräberkultur zu. Seit Beginn der aktuellen Grabungskampagne vor zwei Jahren förderten sie neben dem keltischen Helm Broschen, Speerspitzen, eine Eisenaxt und Teile von Pferdegeschirren zutage.