Metastudie Neonicotinoide schaden nicht nur Insekten, sondern auch Vögeln

Ein Mäusebussard schwebt bei der Jagd über einem Feld bei Frankfurt
Vögel – hier ein jagender Turmfalke – nehmen über die Nahrungskette auch Pflanzengifte wie Neonicotinoide auf
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Gefährlicher als gedacht: Bestimmte Pestizide aus der Landwirtschaft sind nicht nur für Insekten tödlich, sondern schaden auch Vögeln. Das zeigt eine neue Studie aus den Niederlanden

Viele Pestizide schaden nicht nur den Insekten, gegen die sie entwickelt wurden – sondern auch wichtigen Bestäubern, darunter Hummeln und Bienen. Eine Studie aus den Niederlanden zeigt nun, dass die negativen Auswirkungen dieser Stoffe auf die Artenvielfalt noch weitaus gravierender sind als bislang angenommen: Sie schädigen auch Vögel, die die Substanzen unbeabsichtigt mit der Nahrung aufnehmen.

Für ihre Metastudie analysierten die Forschenden fast 50 weltweit durchgeführte Studien zu zwölf verschiedenen Vogelarten. Das Ergebnis: Neonicotinoide beeinträchtigen die Orientierung von Zugvögeln, bei Küken kommt es zu Missbildungen, die Tiere zeigen abnorme Blutwerte und ihre Lebensspanne verringert sich. Die Analyse umfasste fünf verschiedene Neonicotinoide, von denen den Forschenden zufolge bislang nur zwei – Imidacloprid und Thiamethoxam – umfassend wissenschaftlich untersucht wurden.

"Seit Längerem gibt es Bedenken über die negativen Auswirkungen von Neonicotinoiden auf die Insektenpopulationen", sagt die Forscherin Elke Molenaar von der niederländischen Wageningen University. "Aber der allgemeine Konsens war seit vielen Jahren, dass Vögel relativ wenig unter ihrer Toxizität litten. Die direkten Auswirkungen durch die Aufnahme von Nahrung wurden als minimal angenommen." Ein Irrtum, wie die neue Studie, durchgeführt in Zusammenarbeit mit der Vogelschutzorganisation Vogelbescherming Nederland, zeigt.

Zwei Honigbienen auf einer Mannstreu

Pflanzen voller Gift Pestizidmischungen: Schon geringe Konzentrationen werden für Bienen zur Gefahr

Pflanzenschutzmittel werden in der Landwirtschaft häufig eingesetzt, um die Ernte vor Schädlingen zu schützen. Trotz gesundheitlicher und ökologischer Folgen werden weltweit immer mehr Pestizide ausgebracht. Dabei kann die Kombination verschiedener Pestizide schon in den gebräuchlichen Konzentrationen schädlich für Bienen sein, wie eine neue Untersuchung zeigt

Die Forschenden weisen im Fachblatt "Ecology Letters" darauf hin, dass die meisten Neonicotinoide in der Europäischen Union bereits verboten sind, aber nicht nur außerhalb der EU, sondern auch in den Mitgliedsländern weiterhin zum Einsatz kommen – im Rahmen von sogenannten Notfallzulassungen. Darüber hinaus werden inzwischen auch neue Insektizide entwickelt und vermarktet, die den Neonicotinoiden chemisch sehr ähnlich sind. "Pestizide sollten viel umfangreicher und rigoroser auf ihre möglichen Nebenwirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt getestet werden", fordert Frans van Alebeek, Senior Policy Officer bei Vogelbescherming Nederland. "Im Zweifel sollten Pestizide nicht zugelassen werden."

Entzaubertes "Wundermittel"

Neonicotinoide galten seit den frühen 90er-Jahren als Wundermittel gegen schädliche Insekten in der Landwirtschaft. Eingesetzt werden sie vor allem als Beizmittel für Saatgut: Beim Wachstum nimmt die Pflanze das Gift in alle Pflanzenteile auf, und Insekten, die an der Pflanze fressen oder saugen, werden vergiftet.

Allerdings verdichteten sich in den vergangenen Jahrzehnten die Hinweise, dass die Auswirkungen doch mehr Lebewesen als die sogenannten Zielorganismen betreffen. Im Jahr 2008 etwa kam es zu einem massiven Bienensterben im Oberrheingraben. Der Grund war das Neonicotinoid Clothianidin: Bei der Aussaat von gebeiztem Mais-Saatgut war der Wirkstoff in die Luft gelangt und hatte sich auf Blüten benachbarter Rapsfelder gelegt. Nach dem Besuch kontaminierter Blüten starben Bienen von etwa 11.000 Völkern.