Puzzeln und Planen Tipps einer Neuropsychologin: Diese Spiele trainieren das Gehirn Ihrer Kinder

Beim Spielen üben Kinder verschiedene Fähigkeiten, einige Spiele verlangen nach Konzentration, andere fordern ein gutes Gedächtnis, genaues Planen oder schulen den Wortschatz   
Beim Spielen üben Kinder verschiedene Fähigkeiten, einige Spiele verlangen nach Konzentration, andere fordern ein gutes Gedächtnis, genaues Planen oder schulen den Wortschatz   
© Zeljko Dangubic / plainpicture
Spielen macht Spaß. Es fördert aber auch Wahrnehmung, Logik, Flexibilität und Gedächtnis. Barbara Ritter vom Kinderspital St. Gallen hat für unterschiedliche Trainingsgebiete Spieleempfehlungen zusammengestellt

Es ist eigentlich nur ein kleines Puzzle. Eine helle Unterlage und dazu ein paar Puzzleteile, manchmal vier Stück, manchmal aber auch nur zwei. Doch wie passen diese auf die vorgegebene Unterlage? Die Spielenden drehen und wenden die Teile, probieren aus, verwerfen die Idee, versuchen eine neue Anordnung. Bis es schließlich klappt. So funktioniert das Spiel "Ubongo Junior". 

Und mit diesem Konzept hat es das Spiel in eine Broschüre des Ostschweizer Kinderspitals St. Gallen geschafft. Darin listet die Neuropsychologin Barbara Ritter Spieleempfehlungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf - zur "Förderung und Erhaltung von Hirnfunktionen". Ritter bezeichnet sich selbst als "spielbegeistert". In der Broschüre schreibt sie: "Nebst der Bedeutung von Gesellschaftsspielen als Unterhaltungsmedium wurde die Wissenschaft in den letzten Jahren auf den kognitiven Förder- und Trainingseffekt aufmerksam." 

Ein Mädchen hantiert vor einer Schultafel mit Reagenzglas, umgeben von wissenschaftlich anmutenden Utensilien

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Das älteste Brettspiel ist wohl 9000 Jahre alt

Menschen sind Spieler, seit sie Menschen sind. Schon früh in der Geschichte würfelten sie um die Wette, spielten mit Bohnen auf geschnitzten Hölzern, verspielten Haus und Hof. Die ältesten Hinweise auf die Existenz von Brettspielen stammen Wissenschaftlern zufolge aus dem alten Ägypten. Manche datieren erste Versionen sogar auf eine Zeit vor 9000 Jahren, als Jäger und Sammler sesshaft wurden. 

Alle höher entwickelten Tiere spielen, auch Hunde und Eisbären und Oktopusse. Die Tiere tollen herum, necken sich gegenseitig. Eine Krähe wurde dabei beobachtet, wie sie auf einem Stückchen Plastik ein schneebedecktes Dach hinunterrodelt. Wieder und wieder. 

Der estnisch-amerikanische Neurowissenschaftler Jaak Panksepp, im Jahr 2017 verstorben, verortete diesen Spieltrieb unter anderem im Hirnstamm des Menschen, im ältesten Teil des Gehirns, der auch bei Atmung, Bewusstsein und Schlaf eine wichtige Rolle spielt. 

Im digitalen Zeitalter sind Brettspiele so beliebt wie nie zuvor

Die Neuropsychologin Barbara Ritter hat für ihre Spielempfehlungen sowohl Klassiker als auch neue Brettspiele ausgewählt. Darunter Knobelaufgaben wie das Puzzlespiel "Ubongo Junior", aber auch Spiele, die wilder sind, impulsiver. Andere fordern ein gutes Gedächtnis, genaues Planen oder schulen den Wortschatz.    

Bei "Halli Galli Junior" sollen Kinder ab vier Jahren blitzschnell eine Klingel drücken, wenn sie auf einer Karte zwei identische Clownsgesichter entdecken. Auch bei "Socken zocken" geht es um schnelles Wahrnehmen. Hier werden passende Sockenpaare gesucht. Die "Fiesen Sieben" sind hingegen ein scheinbar simples Kartenspiel, bei dem aber höchste Konzentration gefragt ist. "Gesellschaftsspiele sind ein Leckerbissen für unsere grauen Zellen!", schreibt Barbara Ritter.

Es ist verblüffend: Im digitalen Zeitalter sind Brettspiele so beliebt wie nie zuvor. Das liegt auch an der Qualität der neuen Spiele. Den neuen, ausgetüftelten Mechaniken und den strategischen Aufgaben. Menschen haben ein Faible für Herausforderungen.  

Forscher sehen im Spiel ein Training für das Unerwartete

Die Hirnforschung am spielenden Menschen steht erst am Anfang. Aber für manche Tiere konnten Wissenschaftler schon nachweisen, dass deren Gehirne sich verändern, wenn sie oft spielen. Im Spiel werden vorhandene Nervenverbindungen gestärkt und neue geschaffen. Das passiert auch in jenen Teilen des Gehirns, in denen Gedanken sortiert und Entscheidungen getroffen werden; dort, wo das soziale Verhalten gesteuert wird. 

Spieleforscher sehen im Spiel ein Training für das Unerwartete. Spieler und Spielerinnen, so die Überzeugung, sind besser in der Lage, sich veränderten Bedingungen anzupassen, sie sind flexibler, offener für Neues. 

Die Menschen spielen wohl schon seit mehreren Tausend Jahren. Nun interessieren sich auch Neurowissenschaftler dafür, wie das Spielen die Gehirne von Kindern und Erwachsenen verändert
Die Menschen spielen wohl schon seit mehreren Tausend Jahren. Nun interessieren sich auch Neurowissenschaftler dafür, wie das Spielen die Gehirne von Kindern und Erwachsenen verändert
© Plattform / plainpicture

Verschiedene Studien belegen einen positiven Effekt auf kognitive Funktionen auch bei Menschen, unter anderem beim logischen Denken, bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit, beim Gedächtnis. Die Wirksamkeit einiger Spiele wurde im Rahmen einer Studie bei Kindern zwischen sieben und neun Jahren untersucht. Nach acht Wochen intensiven Spielens verbesserten sich die Kinder in der Reaktionsgeschwindigkeit oder im visuell-räumlichen logischen Denken. 

In den USA und in Australien laufen Untersuchungen darüber, wie Brettspiele das Denken beeinflussen. Brettspieler kalkulieren genau. Vor jedem Spielzug simulieren sie im Kopf etliche Varianten und deren Konsequenzen. Häufig mehrere Schritte weit in die Zukunft hinein. Das ist komplexes strategisches Planen. Und wenn die Mitspieler dazwischenfunken, dann planen sie um. Das fördert die Flexibilität, verlangt nach neuen kreativen Lösungen.  

Ein Aspekt darf nicht vergessen werden: Spaß

Barbara Ritter hat ihre Spieleempfehlungen nach Alter und Trainingsgebiet für das Gehirn sortiert. Einige Spiele fördern besonders die Aufmerksamkeit, andere verlangen eine bessere Impulskontrolle, wieder andere trainieren Arbeitsgedächtnis, Flexibilität, logisches Denken oder Motorik.    

Ein Kriterium, nach dem Barbara Ritter die Spiele in der Broschüre ausgewählt hat, sollte allerdings bei allem Training nicht zu kurz kommen: der Spaß. Die Neuropsychologin empfiehlt, das Spielen solle trotz Förderabsicht eine angenehme und amüsante Aktivität bleiben. Denn das hat von Beginn an den Reiz des Spielens ausgemacht. Es ist scheinbar zweckfrei und bereitet vor allem Freude. Alles andere – das Lernen und Trainieren - geschieht nebenbei.