1. "Catan" rettete Klaus Teubner vor dem Ruin
Klaus Teuber steckte in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Das Dentallabor, das der Zahntechnikermeister kurz zuvor von seinem Vater übernommen hatte, lief nicht gut. Teuber und seine Frau dachten daran, ihr Reihenhaus zu verkaufen. Um sich abzulenken, ging Klaus Teuber in seinen wenigen freien Stunden einem ungewöhnlichen Hobby nach: Er erfand Brettspiele. Anfang der 1990er-Jahre entwickelte er ein Spiel, das er zunächst "Kolonisation" nannte, später wurde daraus "Siedler von Catan", noch viel später einfach "Catan".
Zunächst wollte kein Verlag Teubers Spiel kaufen, schließlich erschienen die "Siedler" 1995 in dem damals noch recht kleinen Kosmos-Verlag mit einer Startauflage von 3000 Exemplaren. Nur wenige Jahre später konnte Klaus Teuber aus dem Familienbetrieb aussteigen, er machte sein Hobby zum Beruf und erfand hauptberuflich Spiele, unter anderem immer wieder neue Varianten von Catan. Teuber gründete mit seiner Frau und den beiden Söhnen die Catan GmbH. Der Erfinder selbst starb im April 2023, seine Söhne Guido und Benjamin führen die Catan GmbH weiter – und erfinden Spiele.

2. Lehm, Erz, Holz – Strategie statt Glück
Es gibt eine Brettspielwelt vor Catan – und eine danach. Klaus Teubers Spielidee brachte neue Elemente ein, denen fortan alle nacheiferten. Neu an Teubers Erfindung war vor allem die strategische Tiefe. Siedeln ist Mikromanagement. Der Spieler tauscht Erz gegen Lehm und Holz, um damit Straßen und Siedlungen zu bauen, die wiederum neue Quellen für mehr Erz erschließen.
Bei "Monopoly" liegt ein Berg von Plastikhäusern und Geldscheinen auf dem Tisch. Entweder der Gegner geht bankrott oder man selbst. Darüber sind schon Freundschaften zerbrochen. Bei Catan wird nicht zerstört, sondern aufgebaut. Das Spiel ist konstruktiv, alle sind immer aktiv. Ab und an kommt ein niedlicher Räuber vorbei und stibitzt Karten. Ansonsten herrscht weitgehend Frieden.
Nach Klaus Teubers Erfolg gerieten die Spieleerfinder in einen Rausch. Sie modifizierten seine Ideen, steuerten eigene bei, behielten aber die Grundgedanken: Strategie ist wichtiger als Glück. Die Spieler kämpfen nicht direkt gegeneinander, sondern eher um denselben Ressourcenpool. Die Spieler müssen fortlaufend zwischen mehreren Handlungsoptionen entscheiden. "German Games" oder auch "Euro Games" heißen diese Art der Spiele in der Brettspielszene. Die Bezeichnung gilt weltweit als Gütesiegel für hervorragende Brettspiele aus Europa. Und Klaus Teubers Catan war das erste Euro-Game.
3. Ein Brettspiel der Meister
Nur weil Catan so konstruktiv und strategisch ist, heißt das nicht, dass es nicht am Ende darum geht, zu gewinnen. Für Catan gibt es sogar jede Menge Turniere – von der Sächsischen Meisterschaft bis zur Weltmeisterschaft. Vieles erinnert an Sport. Die deutschen Meister und Vizemeister qualifizieren sich für die nächste Europa- und Weltmeisterschaft. Dort spielen sie gegen Catan-Ultras aus den USA, Südafrika oder Indien.

Der Münchner Mathematiker Daniel Ackermann gilt als einer der besten deutschen Catan-Spieler. In einem Interview mit dem "Spiegel" verriet der Vize-Europameister seine Strategie beim Sammeln der Rohstoffe: "Getreide und Erz sind wichtiger als andere Rohstoffe. Ohne Erz kann man maximal sieben Punkte erreichen. Mit Getreide und Erz kann man Städte bauen und Entwicklungskarten kaufen, was meist effizienter ist. Diese Kombination erlaubt es theoretisch auch, mit nur drei Rohstoffen, also Erz, Getreide und Schafen, zu gewinnen."
Nachdem die letzte Weltmeisterschaft auf Malta ausgetragen wurde, treffen sich die besten Catan-Spieler im Jahr 2025 in Deutschland. Das Turnier findet Anfang April in Stuttgart statt, der Stadt, in der "Catan" vor 30 Jahren erstmals verlegt wurde.
4. Die Fans in Übersee
In "Big Bang Theory", einer der beliebtesten US-amerikanischen Sitcoms der 2010er-Jahre, sitzen die drei Nerds Sheldon Cooper, Howard Wolowitz und Rajesh Koothrappali am Tisch einer WG und spielen Catan. Minutenlang geht es darum, Rohstoff zu tauschen, Straßen und Siedlungen zu errichten – inklusive einiger schlüpfriger Witze. Längst war aus dem Brettspiel ein Phänomen der Popkultur geworden, besonders in Übersee. Catan taucht auch in der Serie "South Park" auf. Das American-Football-Team "Green Bay Packers" trifft sich zu Spieleabenden auf der kleinen Insel.
Die größten Fans saßen dort, wo man sie am wenigsten vermutete: in den digitalen Zentren der USA. Facebook-Chef Mark Zuckerberg outete sich als Catan-Fan. Klaus Teuber erhielt einen begeisterten Anruf vom LinkedIn-Gründer Reid Hoffman. Das Spiel wurde unter den US-CEOs so bekannt, dass das "Wall Street Journal" berichtete. Überschrift: "Ein altmodisches Brettspiel geht bei den Technikfreaks im Silicon Valley viral".
5. Auch nach 30 Jahren "Catan" kein Ende in Sicht
Catan gehört zu den weltweit erfolgreichsten Brettspielen. Bis heute wurden mehr als 45 Millionen Exemplare verkauft, das Spiel wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt, unter anderem Afrikaans, Arabisch, Ungarisch und Hebräisch. Ein Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht. Für Catan gibt es mehrere Erweiterungen und Ableger. Die Siedler wurden zu Seeräubern, sie segelten bis nach Hawaii, schlugen sich mit Drachen und Barbaren herum, eroberten den Weltraum, bauten Kraftwerke und reisten zurück in die Zeit der Inka. Zur Catan-Welt gehört sogar ein Roman der Autorin Rebecca Gablé. In ihrem Buch "Die Siedler von Catan" sucht eine Dorfgemeinschaft im hohen Norden nach einem Hungerwinter nach einer neuen Heimat, einer sagenumwobenen Insel.
Im Jubiläumsjahr wird eine neue alte Catan-Version auf den Markt kommen. Es handelt sich um das originale Basisspiel, das Klaus Teuber vor mehr als 30 Jahren erdacht hat. Das Spiel erscheint nun mit neuer Grafik und einem überarbeiteten Regelheft.