Namibia Diese Frau kämpft gegen Periodenarmut – mit Workshops und wiederverwendbaren Binden

Text: Annika Brohm
Frau steht in Schulklasse
Auch während der Corona-Pandemie ging Hildegard Titus in die Schulen Namibias, um mit Lehrern und Schülerinnen über Sexualität und Verhütung zu sprechen
© Power Pad Girls
Mehr als 500 Millionen Mädchen und Frauen sind weltweit von Periodenarmut betroffen. In Namibia reist Hildegard Titus in die entlegensten Dörfer, um in Schulen über die Periode zu sprechen – und Mädchen zu helfen. Von der Politik fordert sie kostenlose Produkte wie Tampons und Binden

Geschätzt Tausende Mädchen in Namibia gehen während ihrer Periode nicht zur Schule. Monat für Monat schotten sie sich tagelang ab, weil sie keinen Zugang zu Tampons und Binden haben. In ihrer Not behelfen sich manche mit Zeitungen, Kleidern oder Baumrinde. Die Mädchen geraten in einen Teufelskreis. Mit jeder Periode sinken ihre Chancen auf eine bessere Zukunft mit guter Arbeit und sicherem Einkommen.

Namibia ist kein Einzelfall: Periodenarmut ist ein weltweites Problem. Mehr als 500 Millionen Mädchen und Frauen sind betroffen – vom Globalen Süden bis in die wirtschaftlich starken Regionen Europas. In Deutschland empfindet fast jede vierte junge Frau die monatlichen Ausgaben für ihre Periode als finanzielle Last, wie Umfragen von Plan International zeigen.

"Menstruation ist bis heute mit Scham verbunden"

Hildegard Titus hatte die Schule bereits ein paar Jahre hinter sich, als sie in der Zeitung vom Schicksal Tausender namibischer Mädchen las. Die namibische, in England lebende Fotografin beschloss, etwas gegen Periodenarmut in ihrer Heimat zu tun. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Mädchen wegen so etwas Natürlichem schlechtere Chancen haben", sagt Titus.

2015 veranstaltete sie ihre erste Quiznacht in der Hauptstadt Windhuk. Das Konzept: Wer mitraten wollte, musste spenden. Von dem Erlös kaufte Titus wiederverwendbare Binden und verteilte sie an Schulen. Schnell schlossen sich ihr andere Freiwillige an. Die Social-Media-Managerin Martha Herman war eines der ersten "Power Pad Girls". "Menstruation ist bis heute mit Scham und falschen Mythen verbunden", sagt sie. Fragt man sie nach der wichtigsten Waffe im Kampf gegen Periodenarmut, antwortet sie: Bildung.

Gemeinsam geben die "Power Pad Girls" Aufklärungsunterricht. Bis in die entlegensten Winkel Namibias reisen sie, um in Schulen über die Periode zu sprechen. Dabei kommen unweigerlich auch andere Themen auf: Sexualität und Verhütung, Selbstbestimmung und Einvernehmlichkeit, der Körper und wie er sich verändert. "Manchmal dauert es eine Weile, bis das Eis bricht", sagt Herman. "Aber wenn wir das Vertrauen der Schülerinnen gewonnen haben, merken wir, wie sehr sie sich nach offenen Gesprächen sehnen."

Hildegard Titus lächelt in Kamera
Hildegard Titus wurde in Namibia geboren, lebt heute aber in England und arbeitet als Fotografin
© Power Pad Girls

Seit der ersten Quiznacht konnten die "Power Pad Girls" nach eigenen Schätzungen mehr als 5000 namibischen Mädchen helfen. Doch Workshops und Spenden reichen nicht aus, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Deshalb sehen sie auch die Politik in der Pflicht. 

Ende 2022 beschloss die namibische Regierung, die Mehrwertsteuer auf Binden abzuschaffen. Titus und Herman wollen noch weiter gehen: "Wir wollen, dass Periodenprodukte in Namibia eines Tages kostenlos sind."