Evolution Blaue Augen können im Dämmerlicht besser lesen als braune

Nahaufnahme eines blauen Auges mit Wimpernkranz
Die Iris blauer Augen verfügt über weniger Pigmente als die brauner Augen. Dadurch kann vermutlich mehr Licht hineingelangen, und die Sehfähigkeit bei schwachem Licht erhöht sich
© Anthony Lee/Caia Image / mauritius images
Eine Studie legt nahe, dass Menschen mit braunen Augen bei Dämmerlicht weniger gut sehen als Menschen mit blauen. Das könnte erklären, warum sich die hellere Augenfarbe in bestimmten Regionen einst durchgesetzt hat

Als die Biowissenschaftlerin Kyoko Yamaguchi von Japan nach Europa zog, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf: In den Innenräumen war es überall auffallend dunkel. Zum Teil so finster, dass sie nicht mehr richtig lesen konnte. Ihre helläugigen Mitmenschen schien das nicht zu stören. Wie sie dem "New Scientist" berichtet, fragte Yamaguchi (die selbst braune Augen hat) sich, ob die Vorliebe für Dämmerlicht nur kulturelle Gründe hat – oder biologische.

Um der Sache nachzugehen, setzte sie zusammen mit ihrer Studentin Faith Erin Cain eine Studie mit 40 Probandinnen und Probanden auf, die jetzt als Preprint erschienen ist. Die Teilnehmenden hatten entweder braune oder blaue Augen und unterzogen sich einem Sehtest bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Dazu wurde das Licht zuerst für 30 Sekunden ausgeschaltet und dann langsam hochgedimmt, bis die betreffende Person in der Lage war, eine Buchstabenfolge auf einer drei Meter entfernten Wand zu lesen.

Blaue Augen könnten eine evolutionäre Anpassung an das Leben im Norden sein

Das Ergebnis zeigte eine eindeutige Tendenz: Menschen mit blauen Augen konnten im Schnitt schon bei 0,7 Lux etwas erkennen, Menschen mit braunen Augen erst bei 0,82 Lux. Allerdings war die Studie viel zu klein, um statistisch valide Aussagen zu liefern. Größere Untersuchungen wären notwenig, um das Ergebnis zu bestätigen. Doch auch weitere Forschende erklärten gegenüber dem "New Scientist", es sei durchaus plausibel, dass sich pigmentärmere blaue Augen als evolutionäre Anpassung etwa an schlechte Lichtverhältnisse in Nordeuropa durchgesetzt hätten.

Bislang lautete die Annahme, dass Nordeuropäer im Zuge der Evolution zunächst hellere, weniger pigmentierte, Haut und Haare entwickelt hätten. Denn so konnte ihr Körper das spärlichere Sonnenlicht im Norden besser für die körpereigene Vitamin-D-Produktion in der Haut nutzen. Demnach wären blaue Augen nur eine Art Nebenprodukt dieser Veränderung.

Vermutlich haben alle Blauäugigen einen gemeinsamen Vorfahren

Andere Wissenschaftler vermuten hingegen, dass helläugige Menschen womöglich attraktiver gewirkt und dadurch mehr Nachkommen gezeugt hätten. Das wäre ebenso ein Selektionsvorteil wie eine erhöhte Vitamin-D-Produktion oder die Fähigkeit, in der Dämmerung deutlicher zu sehen. Interessant in diesem Zusammenhang: Dänische Forschende hatten bereits 2008 aufgrund von Genanalysen die These aufgestellt, dass alle blauäugigen Menschen auf einen Vorfahren oder eine Vorfahrin zurückgehen, die vor 6.000 bis 10.000 Jahren gelebt haben sollen.

Wenn sich Yamaguchis Ergebnisse bestätigen sollten, müssten das Design von Leuchtmitteln und die Standardbeleuchtung in Großraumbüros, an Schulen und anderen Gemeinschaftsorten womöglich überdacht werden. Für Büroarbeitsplätze sind hierzulande 500 Lux vorgeschrieben. Zum Vergleich: An einem strahlend hellen Sommertag kann es draußen zur Mittagszeit zwischen 50.000 und 100.000 Lux hell werden.

So praktisch sie für das Lesen im Dämmerlicht aber sein mögen, blaue Augen haben auch einen Nachteil: Von gleißendem Sonnenlicht oder anderen Lichtquellen werden sie besonders schnell geblendet.