Persönlichkeitsstudie Narzissten haben einen besonders ausgeprägten Sexualtrieb

ein Mann lehnt an einer Mauer mit einer Rose in der Hose
Narzissten sind häufig von ihrer eigenen Attraktivität überzeugt und wirken dadurch auch auf andere anziehend. Das fördert ein reges Sexualleben
© Javier Díez / Stocksy
Narzissten und Sadisten eilt ein schlechter Ruf voraus. Ihrer Libido scheint das nicht zu schaden, im Gegenteil: Einer neuen Studie zufolge ist der Sexualtrieb von Männern, deren Persönlichkeit Anteile der "Dunklen Tetrade" aufweist, besonders ausgeprägt. Die Forschenden haben auch eine Vermutung, woran das liegt

Die "Dunkle Tetrade" aus Sadismus, Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie fasziniert nicht nur Medien und Öffentlichkeit, auch Forschende versuchen die abgründigen Persönlichkeitsmerkmale besser zu verstehen. Ein besonderes Interesse gilt dabei der Sexualität der Betreffenden. 

Sexskandale von Männern in Machtpositionen warfen jüngst die Frage auf, ob die dunklen Persönlichkeitsmerkmale womöglich mit einem starken Sexualtrieb assoziiert sind. Schließlich geht es beim Geschlechtsverkehr nicht immer nur um sexuelle Befriedigung und Nähe. Mitunter können auch Selbstbestätigung, Dominanz oder der Wunsch nach Grenzerfahrungen hineinspielen – wesentliche Triebfedern der Dunklen Tetrade.

Männer sind stärker betroffen als Frauen

Forschende der University of Winnipeg und der University of British Columbia in Kanada haben diesen Zusammenhang genauer untersucht. Das Ergebnis wurde in der Fachzeitschrift "Personality and Individual Differences" publiziert: Die Dunkle Tetrade scheint demnach tatsächlich mit einem erhöhten Sexualtrieb einherzugehen. 

Am stärksten ist dieser Zusammenhang bei Menschen mit starken narzisstischen und sadistischen Merkmalen; Menschen in einer Beziehung berichteten über eine ausgeprägtere Libido als Singles; und bei Männern waren sowohl die dunklen Persönlichkeitsmerkmale als auch das sexuelle Verlangen stärker vorhanden als bei Frauen. Doch wie kamen die Forschenden zu diesem Ergebnis?

Das Resultat ist plausibel – aber nicht repräsentativ

Für ihre Studie hatten die zwei Forscher und eine Forscherin zunächst 701 Studierende mittels eines standardisierten Online-Fragebogens anonym zu ihren Persönlichkeitsmerkmalen, sowie zu ihrem Sexualleben und Pornografiekonsum befragt. Von Letzterem versprachen sie sich Aufschluss über die sexuellen Bedürfnisse jenseits einer Beziehung. Anschließend wiederholten sie die Umfrage noch einmal mit 400 Studierenden an einer anderen Universität. In beiden Befragungen zeigte sich dieselbe Tendenz.

Das Studienergebnis bestätigt frühere Untersuchungen, die ähnliche Zusammenhänge aufgezeigt hatten. Repräsentativ ist es allerdings nicht. Das liegt zum einen an der Auswahl (zufällig ausgewählte Psychologiestudenten im Alter zwischen 17 und 29 Jahren), zum anderen an der Methode der Selbstauskunft. Die Probanden wurden weder beobachtet noch getestet, sondern nur befragt. Es wäre also denkbar, dass zum Beispiel Narzissten einfach von sich behaupten, sie hätten eine besonders ausgeprägte Libido, weil es ihrem Selbstbild entspricht. Umgekehrt könnten andere sich aus Scham als sexuell weniger aktiv darstellen, als sie sind.

Narzissten wirken zunächst oft selbstbewusst und anziehend

Dennoch halten die Forschenden ihr Ergebnis für plausibel. Dass Narzissten so weit herausstechen, erklären sie sich mit deren besonderen Eigenschaften. Schließlich seien Narzissten tendenziell extravertierter und von der eigenen Großartigkeit und Attraktivität überzeugt. Häufig treten sie betont charmant und selbstbewusst auf und haben ein Gespür fürs Äußerliche. All das sind Faktoren, die ein reges Sexualleben durchaus fördern.

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Vom starken Zusammenhang zwischen Sadismus und Sexualtrieb zeigen sich die Forschenden dagegen etwas überrascht. Sie hätten diese Verbindung eher bei Psychopathie vermutet. Denn Studien deuten darauf hin, dass Betroffene durch ihren Hang zur Impulsivität sexuelle Fantasien eher ausleben.

Sadismus: die dunkle Seite des männlichen Hormons Testosteron?

Die Forschenden spekulieren, dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron möglicherweise sowohl den Sexualtrieb als auch sadistische Verhaltensweisen fördern könnte. Die Hormonkomponente würde jedenfalls die großen Geschlechterunterschiede erklären. Aus Untersuchungen zu Sexualverbrechen ist zudem bekannt, dass es eine Verbindung zwischen Sadismus und Sexualität gibt. Wichtig ist allerdings, dass es in dieser Studie ausdrücklich nicht um Sexualverbrechen ging. Nicht jeder mit sadistischen oder psychopathischen Persönlichkeitsanteilen wird automatisch kriminell.

Auch in den Medien sei die erotisierte Darstellung sadistischen Verhaltens zunehmend populär. Als Beispiele werden "Game of Thrones" und die "Tribute von Panem" genannt. Inwiefern derartige Filme, Serien oder Bücher sexuell konnotierte Gewaltfantasien widerspiegeln oder verstärken, sei aber unklar. Es bestehe weiterer Forschungsbedarf.

"Unsere Ergebnisse verdeutlichen, wie dunkle Persönlichkeitsmerkmale, einschließlich Machiavellismus, Narzissmus, Psychopathie und Sadismus, das Sexualverhalten erheblich beeinflussen können", sagt Paul D. Trapnell, Hauptautor der Studie: "Insbesondere Männer berichteten durchweg über einen intensiveren Sexualtrieb und ein höheres Maß an diesen Eigenschaften, was auf einen tieferen Zusammenhang zwischen dunkler Persönlichkeit und sexuellem Verlangen schließen lässt."