Astronomie Fluffiger Exoplanet: Auf diesem Gasriesen regnet es Sand

Künstlerische Darstellung von WASP-107b vor seinem Mutterstern
Künstlerische Darstellung von WASP-107b vor seinem Mutterstern
© Illustration: LUCA School of Arts, Belgien/ Klaas Verpoest; Daten: Achrène Dyrek (CEA und Université Paris Cité, Frankreich), Michiel Min (SRON, Niederlande), Leen Decin (KU Leuven, Belgien) / European MIRI EXO GTO Team / ESA / NASA
So groß wie Jupiter, aber nur ein Zehntel so schwer: WASP-107b zählt zu den Exoplaneten mit der geringsten Dichte. Seine luftige Beschaffenheit erlaubte es Forschenden, tief in seine Atmosphäre zu schauen. Dort stießen sie auf Regenwolken aus Silikattröpfchen

Die Planeten jenseits unseres Sonnensystems, die leistungsstarke Teleskope in den vergangenen Jahren zu Hunderten aufgespürt haben, sind ein vielfältiger Haufen. Manche ähneln in Größe und Beschaffenheit der Erde. Andere warten mit Extremen auf: Auf WASP-76b etwa regnet es geschmolzenes Eisen. Auf HD 189733 b fegen Winde mit Überschallgeschwindigkeit durch die Atmosphäre. Und auf Saffar (Ypsilon Andromedae b) beträgt der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht rund 1400 Grad. 

Exotisch sind auch die Eigenschaften von WASP-107b, einem Exoplaneten, der 2017 entdeckt wurde und seinen Mutterstern WASP-107 in 212 Lichtjahren Entfernung von der Erde umkreist. Für einen Umlauf benötigt er keine sechs Tage. Der Gasgigant erreicht beinahe die Größe von Jupiter, spielt aber in der Gewichtsklasse des deutlich kleineren Neptun. Seine Dichte entspricht in etwa der von Zuckerwatte. 

Bei 1000 Grad Celsius verdampft Silikat 

Als "fluffig" bezeichnet ihn ein Forschungsteam, das den Exoplaneten im Januar diesen Jahres mit dem Infrarot-Instrument MIRI des James-Webb-Weltraumteleskops ins Visier nahm. Weil die Moleküle in seiner Atmosphäre ein- und austretenden Lichtteilchen viel Raum lassen, gelang es den Forschenden, tief ins Innere des Himmelskörpers zu schauen: 50-mal tiefer, als es bei den dichteren Gasplaneten unseres Sonnensystems gelingt. 

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Die chemische Zusammensetzung eines fernen Planeten lässt sich anhand des Sternenlichts erkunden, das seine Atmosphäre durchdringt. Die Substanzen in seiner Atmosphäre schlucken Strahlung bestimmter Wellenlängen. So entstehen Lücken im Spektrum, die charakteristisch für bestimmte Elemente und Verbindungen sind. WASP-107b wird den Messungen zufolge unter anderem von Wasserdampf, Schwefeldioxid und Wolken aus Silikat umwabert – jenem Stoff, aus dem irdischer Sand besteht. Was zur Überraschung der Forschenden fehlt, ist das Treibhausgas Methan. Die Atmosphäre der Gasplaneten in unserem Sonnensystem enthält große Mengen der simplen Kohlenstoffverbindung. Modelle auf Grundlage früherer Daten hatten seine Gegenwart auch für WASP-107b vorhergesagt. 

Infrarot-Spektraldaten zu WASP-107b
Die Moleküle in der Atmosphäre von WASP-107b filtern charakteristische Wellenlängen aus dem Spektrum des Sternenlichts. So lässt sich ihre chemische Beschaffenheit aufklären. Das Spektrometer an Bord des James-Webb-Teleskops misst Strahlung im mittleren bis fernen Infrarotbereich. Aus den Werten lässt sich die Gegenwart von Wasser, Schwefeldioxid und Sandpartikeln ablesen
© Michiel Min, European MIRI EXO GTO team, ESA, NASA

Die Messwerte zeigen: Die Vorgänge in der Atmosphäre von WASP-107b unterscheiden sich deutlich von denen, die sich in unserer direkten kosmischen Nachbarschaft abspielen. Der wohl exotischste Befund der Forschenden: Auf dem fluffigen Exoplaneten regnet es Sand. In heißen, tieferen Schichten verdampfen Silikatpartikel bei rund 1000 Grad Celsius. Das Gas wird von atmosphärischen Strömungen in höhere Schichten transportiert, wo es bei rund 500 Grad Celsius zu Wolken kondensiert, die schließlich als Silikattröpfchen abregnen – und in tieferen Schichten erneut verdampfen. 

"Dies ähnelt dem Wasserdampf- und Wolkenzyklus der Erde, aber mit Sandtropfen", erklärt Michiel Min vom Niederländischen Institut für Weltraumforschung (SRON), einem Autor der Studie, die nun in einer Vorabversion in der Fachzeitschrift Nature  erschienen ist. Sein Team schwärmt von den Möglichkeiten, die James Webb für die Erkundung chemischer Vorgänge auf fernen Planeten eröffnet. "Das Teleskop ermöglicht eine tiefgreifende Charakterisierung der Atmosphäre eines Exoplaneten, der keine Entsprechung in unserem Sonnensystem hat", sagt Co-Autor Achrène Dyrek vom Forschungszentrum CEA Paris-Saclay. "Wir entschlüsseln neue Welten!"