Forschenden der Northwestern University in Chicago ist es gelungen, mithilfe von neu entwickeltem Biomaterial Knorpel im Körper von Schafen nachwachsen zu lassen. Die Ergebnisse der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht wurden, könnten zukünftig auch einen neuen Ansatz bei der Behandlung von Gelenkschäden beim Menschen möglich machen – etwa Kreuzbandrissen oder Arthrose. Das ist deshalb so entscheidend, weil Knorpelgewebe bei erwachsenen Menschen keine inhärente Fähigkeit zur Heilung besitzt, erklärt Professor Samuel Stupp, Co-Autor der Studie und Direktor des Simpson-Querrey-Instituts für Bio-Nanotechnologie, in einer Pressemitteilung der Universität. "Unsere neue Therapie kann die Reparatur eines Gewebes herbeiführen, das sich nicht auf natürliche Weise regeneriert", so Stupp.
Knorpel ist ein flexibles Gewebe im menschlichen Körper und kann unterschiedliche Funktionen übernehmen. Je nach Zusammensetzung unterscheidet man drei Knorpelarten mit spezifischen strukturellen Eigenschaften für ihre jeweiligen Aufgaben: Hyaliner Knorpel kann hoher Druckbelastung standhalten und kleidet deshalb unter anderem die Oberfläche von Gelenken aus. Das verhindert, dass die Knochen darin bei Bewegungen aneinander reiben. Elastischer Knorpel ist sehr biegsam und kommt beispielsweise in den Ohren vor, Faserknorpel ist unter anderem in Bandscheiben zu finden, wo hohe Scherkräfte auftreten können.
Menschliches Knorpelgewebe ist schwierig zu reparieren
Mit zunehmendem Alter, durch Verletzungen oder infolge chronischer Erkrankung wird das Knorpelgewebe in unseren Gelenken allmählich zerstört. Als Folge können entzündliche Gelenkerkrankungen wie Arthrose entstehen. Eine mögliche operative Methode zur Behandlung bei Knorpelschäden in Gelenken ist derzeit die Mikrofrakturierung. Hierbei entfernen Chirurgen zunächst den beschädigten Knorpel und bohren dann kleine Löcher in den darunter liegenden Knochen. Dadurch können Blut, Stammzellen und spezielle Wachstumsfaktoren in den Bereich fließen, um das Knorpelwachstum anzuregen. Allerdings bildet sich dabei Faserknorpel im Gelenk – im Vergleich zum natürlich vorkommenden hyalinen Knorpel oft schwächer und weniger verschleißfest.
Das von Stupp und seiner Arbeitsgruppe erfundene Biomaterial ist nun in der Lage, den hyalinen Knorpel in Gelenken zu regenerieren. Es besteht aus einem bioaktiven Polymer und chemisch modifizierter Hyaluronsäure, einem natürlichen Bestandteil von Knorpelgewebe. Im Gelenk bildet die Mischung eine Struktur aus Nanofasern, die die natürliche Architektur von Knorpel nachahmen. An dieses Gerüst können sich Zellen zur Regeneration von Knorpelgewebe anlagern. Zusätzlich wird der körpereigene Wachstumsfaktor "Transforming growth factor-beta1" (TGF-b1) gebunden, ein essenzielles Protein für Knorpelwachstum und -Reparatur.
Die Forschenden testeten die Mischung an Schafen mit einem Knorpeldefekt im Kniegelenk. Ähnlich wie beim Menschen ist Schafsknorpel sehr schwer zu regenerieren, so Samuel Stupp. Außerdem besäßen die Kniegelenke von Schafen und Menschen hohe Ähnlichkeit in Bezug auf Gewichtsbelastung, Größe und mechanische Belastung. Im Gegensatz zu Kontrolltieren, denen nur TGF-b1 verabreicht wurde, kam es durch die einmalige Injektion des Biomaterials innerhalb von sechs Monaten zu einem verbesserten Knorpelwachstum und zur Reparatur der beschädigten Gelenke.
Mit weiterer Entwicklung hofft das Team, zukünftig bei Menschen ähnliche Ergebnisse erzielen zu können. "Durch die Regeneration von hyalinem Knorpel sollte unser Ansatz widerstandsfähiger gegen Verschleiß sein und das Problem der eingeschränkten Beweglichkeit und der Gelenkschmerzen langfristig lösen", erklärte Stupp. Die Hoffnung der Forschenden ist, dass Ärzte durch den Einsatz des neue Biomaterials zukünftig große Operationen zum vollständigen Knieersatz vermeiden könnten.