Interaktive Grafik In dieser Höhle riskierten Künstler vor 16.000 Jahren ihr Leben für Felsmalereien

Der "Brunnen der Engel" ist ein 16 Meter tiefer Abgrund am Ende der Höhle von Etxeberri. Mithilfe von 3-D-Scans rekonstruierten Forschende, wie sich die Menschen vor 16.000 Jahren in den schwer zugänglichen Bereichen der Karsthöhle bewegt haben müssen, um ihre Dekorationen anzubringen
Der "Brunnen der Engel" ist ein 16 Meter tiefer Abgrund am Ende der Höhle von Etxeberri. Mithilfe von 3-D-Scans rekonstruierten Forschende, wie sich die Menschen vor 16.000 Jahren in den schwer zugänglichen Bereichen der Karsthöhle bewegt haben müssen, um ihre Dekorationen anzubringen
© Iñaki Intxaurbe / CC BY 4.0
An unzugänglichen Stellen einer Pyrenäen-Höhle hinterließen Menschen vor Jahrtausenden Felszeichnungen. Forschende haben jetzt rekonstruiert, wie. Und spekulieren über das Warum

Menschen haben schon vor Tausenden von Jahren lebensgefährliche Expeditionen in verzweigte Höhlen unternommen. Und nicht nur das: Ganz nebenbei verzierten sie unzugängliche Felsen auch noch mit Kunstwerken. Ein besonders spektakuläres Beispiel schildert nun ein Forschungsteam in einer neuen Studie.

Die Etxeberri-Höhle in den französischen Westpyrenäen ist schon lange bekannt für ihre jahrtausendealten Spuren menschlicher Aktivitäten. In der Magdalénien-Zeit, vor rund 16.000 Jahren, haben sich hier Menschen aufgehalten – und sind hier geklettert. Zu ihren wenigen, aber spektakulären Hinterlassenschaften gehören Darstellungen von Pferden und Bisons, aber auch menschliche Figuren und abstrakte Symbole, gemalt und gezeichnet mit rotem Ocker, schwarzer Holzkohle und braunem Ton.

Anhand der Funde und der Malereien hat ein Forschungsteam um Iñaki Intxaurbe von der Universität des Baskenlandes mit 3-D-Scans rekonstruiert, wie die prähistorischen Menschen sich in den zerklüfteten Wänden der Höhle bewegt haben – und wie sie in vollkommener Dunkelheit die bergsteigerischen Herausforderungen gemeistert haben könnten.

Zu den halsbrecherischen Schwierigkeiten zählen demnach enge und exponierte Passagen und meterhohe vertikale Wände, die überwunden werden mussten. Ob die prähistorischen Kletterer dafür Seile oder andere Sicherungsmittel benutzten, lässt sich kaum nachvollziehen. Denn organische Stoffe wie Hanf wären heute längst zerfallen. Für die Beleuchtung sorgten den Forschenden zufolge Nadelholz-Fackeln oder Lämpchen mit tierischem Fett. Funde deuten zudem darauf hin, dass die prähistorischen Kletterer Hindernisse auf ihren Routen mit Flintwerkzeugen bearbeitet oder entfernt haben.

Wozu "Kunst" an unzugänglichen Stellen einer Höhle?

Wozu die "Kletterkunst" einst gedient haben könnte, wird wohl – wie die Bedeutung der Höhlenkunst insgesamt – ein Rätsel bleiben. Denn direkte Zeugnisse über die Gesellschaften der Jäger und Sammler vor Jahrtausenden gibt es nicht. Intxaurbe hält immerhin einen Zusammenhang mit spirituellen Praktiken für möglich.

"Wir können nur mit der gebotenen Vorsicht vermuten, dass solche versteckten und an riskanten Stellen angebrachten Malereien Teil von Initiationsriten gewesen sein könnten", sagt Intxaurbe gegenüber GEO. "Während die größeren, kunstvoll gearbeiteten Zeichnungen in leicht zugänglichen Höhlen auf eine öffentliche rituelle Nutzung durch erfahrene Schamanen hindeuten, könnten die gröberen, isolierten Bilder an schwer zugänglichen Stellen – wie beispielsweise in Etxeberri – auf gefährliche Prüfungen hindeuten, denen sich Anfänger auf ihrem Weg zum Schamanen stellen mussten."

Immerhin sei niemand von ihnen zu Tode gekommen, vermutet Intxaurbe. Denn in der Höhle fanden sich keine menschlichen Knochen. Vielleicht wurden die Leichname der Abgestürzten aber auch pietätvoll geborgen und außerhalb der Höhle bestattet: Prüfung nicht bestanden.