Selten hatte eine medizinische Studie eine derart durchschlagende Wirkung: Als 2015 eine Untersuchung zu Erdnussallergien bei Kindern veröffentlicht wurde, änderten medizinische Fachgesellschaften weltweit ihre Leitlinien zum Umgang mit dem Lebensmittel. Diese hatten Eltern von gefährdeten Kindern vorher empfohlen, Erdnussprodukte von ihrem Nachwuchs fernzuhalten. Nun raten sie zu einem zeitigen und kontinuierlichen Kontakt zu solchen Produkten.
Das, so der Befund der damaligen sogenannten LEAP-Studie und ihrer Folgeuntersuchungen, senke das Risiko für eine Erdnussallergie dauerhaft um mehr als 70 Prozent. Seit 2021 geht in den USA der Rat an Eltern sogar dahin, Kinder im Alter von vier bis sechs Monaten mit allen wichtigen Lebensmittel-Allergenen vertraut zu machen.
Neue Leitlinien scheinen zu wirken
Nun zeigt eine neue Studie im Fachblatt "Pediatrics" die Folgen der geänderten Leitlinien in den USA. Demnach sank nach Umstellung der Leitlinien die Häufigkeit von Lebensmittelallergien durch Immunglobulin E (IgE) deutlich. Allergien gegen Erdnüsse und viele andere Lebensmittel beruhen meist auf diesen Antikörpern.
In der Studie untersuchte das Team um David Hill vom Children's Hospital in Philadelphia elektronische Gesundheitsdaten zu verschiedenen Zeitpunkten auf entsprechende Diagnosen bei Kindern im Alter bis drei Jahre. Demnach sank bei den Teilnehmern die Rate einer IgE-bedingten Erdnussallergie deutlich - von 0,79 auf 0,43 Prozent.

Überraschenderweise sank die Rate jeglicher IgE-bedingten Lebensmittelallergie ebenfalls – von 1,46 auf 0,93 Prozent. Inzwischen seien Erdnüsse in den USA nicht mehr die häufigste, sondern nur noch die zweithäufigste Ursache von Lebensmittelallergien – nach Hühnerei, schreibt die Gruppe.
Wichtige Erkenntnisse etwa für Eltern
"Unsere Ergebnisse sind wichtig für jene Menschen, die Patienten behandeln, und für jene, die sich um Kleinkinder kümmern", wird Studienleiter Hill in einer Mitteilung seiner Klinik zitiert. "Mit mehr Achtsamkeit, Aufklärung und Fürsprache könnten wir die in dieser Studie beobachteten Resultate noch verbessern."
Für Kirsten Beyer bestätigt der in der Studie festgestellte Rückgang von Erdnussallergien die geänderten Empfehlungen in den Leitlinien. Zwar sei die in der Studie untersuchte Gruppe vermutlich nicht repräsentativ; die Daten beruhten aber auf etablierten Diagnosekriterien, die sowohl vor als auch nach der Leitlinien-Änderung galten, und seien somit methodisch valide, sagt die Leiterin des Kinderallergologischen Studienzentrums der Berliner Charité.
Dass der Rückgang von Erdnussallergien etwas geringer ausfiel als in den LEAP-Studien, könnte darauf zurückgehen, dass sich die Empfehlungen im Untersuchungszeitraum noch nicht flächendeckend durchgesetzt hätten, vermutet Beyer. "Es dauert, bis so etwa bei allen Ärzten und Eltern ankommt." Für Deutschland gibt es keine diesbezüglichen Zahlen.
Auswirkung auch auf andere Allergien?
Und der in der Studie festgestellte überraschende Rückgang auch von anderen Lebensmittelallergien? "Wir wissen, dass Eltern und auch Ärzte Empfehlungen extrapolieren", meint Beyer – also, dass die an Erdnüssen gewonnenen Erkenntnisse auf andere Produkte übertragen werden wie etwa Hühnerei und Cashewnüsse. "Das könnte den gefundenen Rückgang erklären."
Generell empfiehlt die Expertin Eltern: "Was zuhause gegessen wird, das sollten Kinder frühzeitig und regelmäßig bekommen – in altersgerechter Form." Allerdings sollte man bei Kindern mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis – also einem hohen Risiko für eine Nahrungsmittelallergie zunächst eine vorhandene Allergie gegen Erdnüsse ausschließen.
In Deutschland schätzt man, dass etwa 0,4 Prozent aller Kinder bis zwei Jahre von einer Erdnussallergie betroffen sind. In den USA, wo das Lebensmittel wesentlich gängiger ist, dürfte der Anteil höher liegen.