Schmerzhafte Verluste Der Preis für die Liebe: "Ohne Trauer könnten wir keine feste Bindung eingehen"

Männerhand und Frauenhand berühren sich sanft
© Julien Benhamou / plainpicture
Trauern ist das Neben­produkt der Beziehungsfähigkeit des Menschen, sagt der Psychologe Hansjörg Znoj. Doch warum erleben wir den Schmerz so unterschiedlich intensiv? Und ist das ein Grund zur Sorge?

Weshalb gibt es aber überhaupt ein auf den ersten Blick so unnützes Gefühl wie Trauer? Ein Gefühl, das viele Menschen ja schwer belastet.

Trauer ist zweifellos ein höchst unangenehmes Gefühl. Aber ohne sie könnten wir keine festen Bindungen eingehen, denn dann wäre uns alles gleichgültig. Anders ausgedrückt: Trauer ist das Neben­produkt unserer Beziehungsfähigkeit. Wenn ich mich einem anderen Menschen tief verbunden fühle, sei es meinem Partner, dem Kind oder einem Elternteil, so nehme ich den anderen immer auch als Teil von mir selbst wahr. Wenn ich jemanden liebe, dann verschmelze ich sogar mit dieser Person. Wenn dann dieser Teil in mir wegfällt, fühle ich mich nicht mehr ganz – sondern seelisch regelrecht amputiert. Dazu kommen körperliche Symptome wie eine Schwächung des Immunsystems und eine vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen. Kurz gesagt: Trauer ist gewissermaßen der Preis für die Liebe.

Welche Unterschiede macht es, ob ich um einen Verstorbenen trauere, um einen Partner, der sich von mir getrennt hat, oder um ein geliebtes Haustier?

Mehr als auf die konkreten Um­stände kommt es auf die Qualität der Beziehung an. Die Bindung kann selbst bei einem Haustier sehr eng sein. Vor allem ältere, allein lebende Menschen kann der Tod ihres Hundes oder der Katze wirklich zutiefst erschüttern. Ich habe es bei den eigenen Kindern erlebt, wie intensiv die Trauer sein kann: Als eines Tages unser lieb gewonnenes Kätzchen unter ein Auto kam, flossen bittere Tränen. Ausdruck eines tiefen Verlustgefühls.

Trauern Kinder anders als Erwachsene?

Erschienen in GEO kompakt Nr. 60