Satelliten, Wanderungsrouten von Tieren oder die Länge unserer Tage orientieren sich am Magnetfeld der Erde. Es entsteht im äußeren Erdkern. Die relative Rotationsbewegung des inneren Erdkerns kann sich jedoch ändern. Seit einigen Monaten ist klar, dass der Erdkern langsamer rotiert. Könnte er auch stehen bleiben?
Die Drehrichtung des inneren Erdkerns ändert sich, relativ zum Erdmantel betrachtet, wenn die Rotation besonders langsam oder schnell ist. Derzeit befinden wir uns in einer Phase der westwärts gerichteten Sub-Rotation: Der Erdkern dreht sich seit 2008 zwei- bis dreimal langsamer als in den Jahrzehnten zuvor und hat seine Richtung gen Osten geändert, wie zwei Studien des Instituts für Geologie der University of Southern California aus dem Jahr 2024 und aus dem Jahr 2025 zeigten.
Wissenschaftler:innen unterscheiden zwischen einem festen inneren Kern und einem flüssigen äußeren Kern. Der innere Kern ist eine metallene Kugel in der Mitte unseres Planeten und organisiert die Bewegung des flüssigen Kerns, der vor allem aus Eisen besteht und durch elektrische Ströme das Magnetfeld der Erde erzeugt.
Der Forschungsstand
"Das Phänomen ist bekannt als Geodynamo. Wir wissen, dass es so funktioniert. Was nicht heißt, dass man es versteht“, sagt Geophysiker Gerd Steinle-Neumann von der Universität Bayreuth, "Wir haben die Gleichungen dazu, aber können das im Computer nicht simulieren.“
Die Schwankungen des Drehverhaltens sind ebenso schwer nachzuvollziehen. Seismische Daten, also Messungen von Erdbebenwellen, lassen Rückschlüsse darauf zu. Die Forschungsteams und der Geologe Wei Wang, der an beiden Studien aus den USA beteiligt war, nutzten diesen Ansatz. Sie maßen Wellen, die bei mehreren Beben durch den inneren und äußeren Erdkern drangen.
Über Jahrzehnte rotierte der innere Erdkern schneller als der Erdmantel. Und die Forschung wusste bereits, dass sich die Rotation auch auf die Formen der gemessenen Bebenwellen auswirkte, die durch den inneren Kern laufen. Allerdings veränderten sie sich über die Jahre und nahmen irgendwann wieder ihr vorheriges Muster an, die Forschenden konnten sogar Zyklen feststellen. Das Muster der Wellen zeigte, dass der Kern erst schneller vorwärts (relativ zum Mantel) und dann langsamer rückwärts rotierte.
Kann der Erdkern auch stehenbleiben?
Steinle-Neumann sagt: "Stehenbleiben kann er nicht. Unsere Erde dreht sich schließlich und der Kern ist gravitativ an sie gekoppelt. Wenn ich in einem fahrenden Zug sitze, muss ich ja auch mitfahren. Alles andere wäre unangenehm.“ Ein physikalisch richtiges, wenn auch schlichtes Trägheitsargument. Dabei kann die relative Rotation sehr gering ausfallen, wenn sich innerer Kern und Mantel nahezu parallel zueinander bewegen.
Auch wenn die Studien von Wang zeigen, dass der innere Erdkern nicht immer in derselben Richtung und Geschwindigkeit dreht, seien die Zyklen und Rhythmen nicht vollständig verstanden. Laut Wang ändere sich die Rotation ungefähr alle 70 Jahre. Steinle-Neumann sagt: "Je nachdem, in welche Studie ich schaue und wie die Berechnungen aufgestellt wurden, finde ich auch Ergebnisse, die von 20 bis 30 Jahren sprechen.“
Warum die Zyklen überhaupt auftreten, hänge vermutlich mit der viskosen Deformation des inneren Erdkerns zusammen. "Auf kurzen Zeitskalen betrachtet verhält sich der innere Kern wie ein Festkörper. Auf langen Skalen, eher wie Slush-Eis oder Knetgummi. Er verformt sich“, sagt Steinle-Neumann.
So erklärt sich die Wissenschaft auch die jahrzehntelangen Zyklen der Rotation. Wenn der innere Kern starr wäre, würde er von der Gravitationskraft und den Kräften des flüssigen Kerns, die an ihm zerren, stärker beeinflusst und vermutlich öfter seine Richtung ändern. Um im Bild zu bleiben: Knetgummi ist zäher und wirkt wie eine Bremse auf die Kräfte.

Auswirkungen auf den Erdmantel
Nichtsdestotrotz ändert der innere Erdkern seine relative Richtung und Geschwindigkeit alle paar Jahrzehnte. Hat das Einfluss auf unser Leben?
Schließlich bestimmt die Rotation des inneren Kerns auch die Dynamik des flüssigen Erdkerns, die wiederum unsere Tageslängen beeinflusst. Kleine Schwingungen in der Dynamik können zu Schwankungen in der Rotationsgeschwindigkeit des Erdmantels führen, was sich ebenfalls als Änderung in der Tageslänge bemerkbar macht.
Doch sind diese Veränderungen für uns kaum spürbar. „Die Änderungen des inneren Erdkerns spielen eine zu kleine Rolle in der Generierung des Magnetfeldes“, sagt Steinle-Neumann. Auch die Wanderrouten von Zugvögeln würden nicht beeinflusst werden, da sich geomagnetisch an der Oberfläche kaum merklich etwas ändere.
Zum inneren Erdkern werden wir nie gehen können und die Debatten über sein Alter, seine Beschaffenheit und seinen Einfluss auf die Erde halten an. „Wir wissen mehr über die Sonne als über den Erdkern“, sagt Steinle-Neumann. Sicher ist: Der Erdkern wird nicht stillstehen.