Legendäre Kriegerinnen Was steckt hinter dem Mythos der Amazonen?

"Die Schlacht der Amazonen" von Peter Paul Rubens
"Die Schlacht der Amazonen", Ölgemälde von Peter Paul Rubens, 16. Jahrhundert
© Kena Images / imago images
Ob es die Amazonen wirklich gegeben hat, weiß bis heute niemand. Doch Legenden zufolge sollen die Kriegerinnen selbst den tapfersten griechischen Kämpfern Angst und Respekt eingeflößt haben

Das Amazonenvolk ist ein Mythos, der seit Jahrtausenden durch die Literatur, die Kunst, die Köpfe und die Geschichte spukt. Zeichnungen und schriftliche Aufzeichnungen zu den sagenumwobenen Kriegerinnen gibt es reichlich – aber ohne Quellenangabe oder konkrete Herkunft.

Das beginnt schon damit, dass nicht einmal gesagt werden kann, woher der Name der Amazonen genau kommt. Die Gelehrten streiten sich und das seit Jahrtausenden. Schließlich sind es nicht die Griechen, die das weibliche Kriegervolk für sich in Anspruch nehmen, sondern Grabfunde in Kleinasien legen nah, dass es die zu Pferd in den Kampf ziehenden Frauen schon lange vorher gegeben hat. Kleinasien ist der Teil der heutigen Türkei, der geographisch zu Vorderasien gehört.

Namensherkunft der Amazonen unklar

Einige antike Autoren sehen den Ursprung des Wortes „Amazone“ im griechischen Wort „a-mazos“ – was so viel wie „brustlos“ bedeutet. Tatsächlich sollen die Amazonen sich die rechte Brust abgeschnitten haben, damit sie besser mit Pfeil, Bogen und Speer umgehen konnten. Da allerdings auf jeder antiken griechischen Vase mit Amazonen-Bildern jede Kriegerin zwei Brüste hat, gehört dieses Bild dann wohl doch eher in das Reich der Legenden.

Wahrscheinlicher ist dann schon, dass der Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte aus dem griechischen Herakles-Mythos der Namensgeber für das Frauenvolk ist. Immerhin soll der Held Herakles den Gürtel der Hippolyte gestohlen haben: im Griechischen steht das Wort „zone“ für Gürtel. „Ama-zone“ wäre dann gleichbedeutend mit dem Begriff „wohlgegürtet“.

Amazonenmythos als Kunstobjekt

Tatsache ist, dass der Amazonenmythos ab dem 5. Jahrhundert vor Christus mit Vorliebe auf griechischen Vasen und später auch römischer Keramik abgebildet wurde. Die Römerinnen und Römer waren von der Geschichte des Frauenvolks begeistert und tauften Herakles kurzerhand in Herkules um. Doch woher stammen nun die wagemutigen Reiterinnen mit der Doppelaxt und dem halbmondförmigen Schild?

Herodot zieht Verbindung zu Sauromaten und Skythen

Während einige griechische Autoren die Amazonen aus Gewohnheit im Reich der Dichtung und Epen ansiedelten, zeichnet der Historiker Herodot im 5. Jahrhundert von Christus erstmals ein greifbareres Bild. In seinen Historien schreibt er davon, dass das Volk der Sauromaten aus einer Vermischung von Skythen und Amazonen entstanden sei.

Die Skythen waren ein Reiternomadenvolk, das um das 8. Jahrhundert vor Christus herum in den eurasischen Steppen zwischen dem Schwarzen Meer und der heutigen Ukraine gelebt hat. Im 4./3. Jahrhundert vor Christus wurden sie von den Sauromaten unterworfen.

Gefürchtete Kriegerinnen aus der Türkei?

Wo aber haben denn nun die Amazonen ursprünglich gelebt – wenn es das sagenumwobene Frauenvolk denn gegeben hat und wann? Die möglichen Orte sind ebenso vielfältig wie die Jahreszahlen. Immerhin gab es mehrere Jahrhunderte vor dem Jahr Null noch keine Notiz-Kalender – weshalb vieles überliefert ist, aber nicht unbedingt stimmen muss. Das trifft übrigens auch auf den bekannten griechischen Dichter Homer zu, dessen wirkliche Existenz bis heute nicht abschließend und verlässlich geklärt ist.

Chancenlos: Der gallisch-keltische Fürst Vercingetorix (l.) muss sich Caesars Übermacht beugen und seine Waffe niederlegen. Im Gallischen Krieg erobert der römische Feldherr Gallien und stößt von hier aus in jenes Gebiet vor, das er später "Germanien" nennen wird (Darstellung von 1899)

Römer und Germanen Als Caesar ins Land der "Barbaren" vorstieß

Im Jahr 55 v. Chr. lässt Gaius Iulius Caesar von Gallien aus eine Brücke über den Rhein schlagen. Als erster römischer Feldherr überhaupt will er in das Land östlich des großen Stroms einmarschieren. Dort aber trifft er auf eine Welt, wie er sie noch nie gesehen hat. Er nennt sie: Germanien

Er zumindest erwähnt die Amazonen in seinen Mythen rund um Troja – was bedeuten würde, dass die Amazonen schon zur Zeit des Trojanischen Krieges – dessen Existenz ebenfalls nicht belegt ist – existiert haben: also rund 1200 vor Christus. Dann wiederum soll Priamos, der König von Troja, am Fluss Sangarios gegen die Amazonen gekämpft haben. Das würde das kriegerische Frauenvolk in der heutigen Türkei ansiedeln.

Ein Frauenvolk aus Afrika?

Der Geschichtsschreiber Diodor wiederum berichtet im 1. Jahrhundert vor Christus, dass Völker von Amazonen in Nordwest-Afrika noch vor den Amazonen in Kleinasien gelebt haben sollen. Später widerruft er die mögliche Existenz der sogenannten lybischen Amazone und schreibt mögliche Angriffe auf Athen lieber wieder den kleinasiatischen Amazonen zu.

Mythos der Amazonenkönigin: Penthesilea & Co

Ob es die Amazonen nun gegeben hat oder nicht: Beflügelt haben sie die Phantasie der griechischen Schreiber und Erzähler reichlich. Die bekanntesten literarischen Königinnen der Amazonen sind:

  • Otrere, Geliebte des olympischen Kriegsgottes Ares, erbaut den Tempel der Artemis in Ephesos
  • Hippolyte, Tochter von Otere und Ares, hat als einzige Amazone einen Keuschheitsschwur abgelegt
  • Penthesilea, tötet ihre eigene Schwester Hippolyte bei der Jagd und wird bei Troja von Achill besiegt – der sich in die sterbende Amazone verliebt
  • Myrina, führt eine militärische Exkursion in Libyen an, besiegt die Atlanter und verbündet sich mit den ägyptischen Herrschern
  • Thalestris, letzte namentlich genannte Amazonenkönigin, trifft 330 vor Christus den griechischen Eroberer Alexander den Großen

Wahrheit oder Legende – belegt davon ist nichts. Überliefert ist, das Thalestris ihr Reich am Thermodon gehabt haben soll, einem sagenhaften Fluss aus der griechischen Mythologie mit 96 Mündungen. Hier soll die Hauptstadt der Amazonen, Themiskyra, gelegen haben. Dafür spricht, dass in der griechischen Argonautensage die Krieger wegen der Amazonen nicht wagten, dort anzulegen. Tatsächlich existiert dieser Fluss. Er liegt in der heutigen Türkei, heißt Terme Çayı und mündet gut 50 Kilometer östlich der Küstenstadt Samsun ins Schwarze Meer. Eine Amazonenstatue erinnert in Samsun an den Mythos der Kriegerinnen.

Amazonen als Frauenvolk ohne Männer?

Doch Amazonenmythos hin oder her – eine ganz entscheidende Frage bleibt: Hatten Amazonen gar keine Männer? Waren sie überirdische Wesen oder waren sie sterblich? Mussten sie sich vermehren, haben Kinder bekommen? Auch hierzu gibt es verschiedene Aufzeichnungen ohne Quellenangabe – wie die des griechischen Geschichtsschreibers und Geographen Strabon.

Er berichtet von Amazonen im nördlichen Kaukasus, die sich an zwei Monaten im Frühling mit Männern von benachbarten Stämmen getroffen hätten, um in der Dunkelheit Kinder zu zeugen. Die geborenen Mädchen seien von den Amazonen aufgezogen worden. Die Jungen hätten sie an die benachbarten Stämme abgegeben. Auch soll es verschiedene griechische Inseln gegeben haben, auf den Frauen zeitweise ohne Männer lebten – als eine davon wird Lesbos benannt.

Grabfunde bei Tiflis

Was auch immer am Amazonenmythos der Wahrheit entspricht oder Legende ist: Zumindest einige Grabfunde sprechen dafür, dass es das kriegerische Frauenvolk wirklich gegen hat. 1927 wurde bei Tiflis in Georgien ein gut 3000 Jahre altes Frauengrab entdeckt. Die Grab-Beigaben: ein bronzenes Schwert, eine Speerspitze aus Eisen und die Überreste eines Pferdekopfes. Das alles mag noch nichts bedeuten, aber die gute Frau hatte am Schädel eine schwere Hiebverletzung – und das spricht eher weniger für eine berufliche Karriere bei Heim und Herd.

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