In meinem Naturgarten tummeln sich zahlreiche kleine Lebewesen: Von Grünen Scheinbockkäfern und Blutroten Heidelibellen über winzige Binsenschmuckzikaden und Bernsteinschnecken bis hin zu den schwarzen, mit fleischigen Dornen besetzten Raupen des Tagpfauenauges, die scharenweise über wild wuchernde Brennnesseln herfallen. Sogar ein parasitärer Pilz, der "Zombie-Insekten" erschafft, scheint sein Unwesen zu treiben. Alles Dinge, die mich faszinieren.
Und dann wären da noch die Spinnen. Schaut man am Abend gen Westen, verfangen sich die letzten Sonnenstrahlen in einem Meer aus Spinnweben, bodennah von Grashalm zu Grashalm geschwungen. Mittig über den schmal gemähten Wegen spannen manche Achtbeiner mit Vorliebe ihr Netz, andere huschen durch die niedrige Vegetation.
Allzu oft stand ich in den vergangenen Sommern etwas verloren da, unschlüssig, was ich tun sollte. Kaum ein Quadratmeter war nicht von Spinnen eingenommen. Wenn ich ein paar Schritte in den Garten ging, schwang ich einen alten Besenstiel vor mir her, um nicht in ein Netz zu laufen. Auch bei hohen Temperaturen trug ich geschlossene Schuhe mit langen, über die Hosenbeine gestülpten Socken, sodass keine Spinne hineinkrabbeln konnte. Und fragte mich: Naturgarten trotz Spinnenangst, wie soll das gehen?

Wenn die Phobie den Alltag lahmlegt
Gut die Hälfte der Bevölkerung empfindet Ekel vor Spinnen. Etwa fünf Prozent der Deutschen leiden an einer Spinnenphobie, einer ernsthaften Angststörung, die den Alltag der Betroffenen erheblich einschränken, sogar lahmlegen kann – etwa, wenn diese sich nicht aus dem Haus trauen, weil eine Spinne "den Weg versperrt".
Das Gefühl kenne ich. Die Panik, wenn niemand da ist, der helfen könnte. Die Verzweiflung, wenn man selbst zum Staubsauger greifen muss. Die nahezu zwanghaften Routinen: Jeden Abend die Matratze anheben, manchmal das ganze Bett verrücken und alle potenziellen Spinnenverstecke mit der Taschenlampe ausleuchten. Früher schlief ich mit einem kleinen Licht und blickte mich nachts mehrmals im Zimmer um. Manchmal, wenn ich eine Spinne entdeckte und diese entwischte, wanderte ich samt Bettzeug ins Badezimmer, um auf dem Boden oder in der Badewanne zu übernachten – es war der einzige Raum, in dem sich die Achtbeiner nicht hinter Fußleisten oder anderen Fugen verbergen konnten.
Ein Naturgarten, aber bitte ohne Spinnen?
Heute ist das anders. In den vergangenen Jahren habe ich mich den Spinnen angenähert. Und der Auslöser dafür war ein innerer Konflikt: Ich bin tierlieb. Jedes Leben, egal wie klein und unscheinbar, halte ich für wertvoll. Ich sammle Regenwürmer vom trockenen Gehweg auf, befördere Fliegen ins Freie, die sich vor der Fensterscheibe vergeblich abmühen, schaffe im Naturgarten gezielt Lebensraum. Und da soll ich Spinnen weiterhin aus Angst töten (lassen), weil ich mir nicht anders zu helfen weiß? Das empfand ich als heuchlerisch.
Schließlich legt die Forschung nahe, dass eine Spinnenphobie keinesfalls ein Schicksal ist, in das man sich ergeben muss. Zwar gehen einige Forschende davon aus, dass die Furcht vor Spinnen evolutionär bedingt ist. Ein Experiment von Wissenschaftlerinnen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft in Leipzig und der Universität Uppsala belegt, dass der Anblick einer Spinne bereits bei Babys eine Stressreaktion auslöst. Mechanismen in unserem Gehirn ließen uns Objekte sehr schnell als Spinne identifizieren und darauf reagieren, so die Wissenschaftlerinnen, denn unsere Vorfahren koexistierten bereits vor Millionen von Jahren mit potenziell gefährlichen Spinnentieren. Ein Forschungsteam aus Tschechien glaubt, dass es sich dabei um Skorpione gehandelt haben könnte, die im Gegensatz zu den meisten Spinnenarten tatsächlich gefährlich sind.
Doch eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber Spinnen ist noch längst keine Phobie. Weitere Faktoren sind an deren Entstehung beteiligt, zum Beispiel Prägungen in der Kindheit. Mit meinen Geschwistern und Cousinen bin ich auf dem Land groß geworden, und es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass wir professionelle "Butscher" waren, uns also mit norddeutscher Hingabe draußen herumtrieben. Highlights waren das Tauziehen über schmutzigen Gräben, das Versteckspiel im Maisfeld und die Übernachtungen im Pferdestall. Einmal zog ich als jüngstes und kleinstes Kind das große Los, in eine alte Baumhöhle kriechen zu müssen, um unsere vom Hund verschleppten Spielzeuge zu bergen. All das wäre mit einer Panik, wie ich sie ab der frühen Jugend verspürte, nicht möglich gewesen. Was sie herbeigeführt hat, ist schwer zu sagen. War es die Bekannte meiner Eltern, die kreischend und weinend auf eine große, schwarze Spinne reagiert hatte? Oder der Horrorfilm, in dem zahlreiche Menschen von einer Horde Spinnen überrannt und getötet wurden? Irgendwann kam eine Phase, in der ich oft von einer riesigen Spinne träumte, die mich gefangen hielt. Auch die überdimensionalen, fruchteinflößenden Spinnen aus "Der Herr der Ringe" und "Harry Potter" dürften ihren Teil dazu beigetragen haben.
Die Verhaltensforschung beweist, dass sich die Einstellung gegenüber Spinnen durchaus wandeln kann. Zur Behandlung einer Phobie hat sich die Konfrontationstherapie bewährt. Betroffene werden ihrer Angst gezielt ausgesetzt, etwa indem sie an Spinnen denken oder sie auf Bildern betrachten – für manche ein Ding der Unmöglichkeit. In einem sicheren Rahmen und begleitet von Fachpersonal aber tatsächlich wirksam, denn wer lernt, dass die Angst auszuhalten ist, schmälert sie. Die Expositionstherapie lässt sich in kleinen Schritten steigern, bis Betroffene irgendwann in der Lage sind, sich kleinen Spinnen zu nähern oder sie sogar zu berühren.
Solche Erfolge machte ich auch, allerdings ohne Therapie. Mittlerweile gelingt es mir, kleine bis mittelgroße Spinnen lebendig aus der Wohnung zu schaffen. Dazu nutze ich den Spinnenfänger von catch-i, denn er lässt sich wie ein Staubsaugeraufsatz verwenden. Man kann einen großen Abstand einhalten und die Spinne wie gewohnt einsaugen, ohne dass sie sterben muss. Solange der Staubsauger läuft, kann sie nicht fliehen, da sie auf ein weiches Schaumstoffkissen gesogen wird.
Eine schaurig schöne Freundschaft
Eine besondere Spinne sollte mich auf die Probe stellen: Im Sommer entdeckte ich die mir unbekannte Art im Garten. Ein dicker Körper, schwarz-gelb gestreift, mit Beinen, die auf mich sonderbar stabil wirkten – so hing sie wenige Zentimeter über dem Boden, und fast wäre ich in ihr Netz hineinmarschiert. Die alte Panik packte mich. Ich wollte mich schütteln und hektisch mit den Händen über den ganzen Körper fahren, um das Kribbeln abzustreifen. Obwohl die Spinne sich nicht gerührt hatte, fühlte es sich an, als befände sie sich irgendwo und überall auf meinem Körper. Fast wäre ich verzweifelt, doch die Erkenntnis war schneller: Ich konnte hinsehen. Mit viel Selbstbeherrschung, aber auch einer gewissen Neugierde. Und aus sicherer Entfernung machte ich ein Foto, mit dem ich die Achtbeinerin später als Wespenspinne bestimmte.

Vor einigen Jahren noch sehr selten, haben sich Wespenspinnen mittlerweile in ganz Deutschland verbreitet. Sie bevorzugen warme Standorte und kommen vor allem auf Brachen, Heideflächen oder an Wegrändern vor. Ihr Netz spinnen sie in Bodennähe, wo sie auf größere, springende Beute wie Heuschrecken lauern. Dank bodennaher Windströmungen konnten sie bis nach Nordeuropa vordringen: Im Mai verlassen die winzigen Jungspinnen ihren Kokon, krabbeln an den höchsten Punkt in der Nähe und geben einen Spinnfaden ab, den der Wind erfasst und sie fortträgt. Laut NABU verdriften sie dabei je nach vorherrschenden Bedingungen nur wenige Meter oder sogar mehrere Hundert Kilometer.
Eine Vorstellung, die mich hätte gruseln lassen müssen. Aber die Faszination überwog. Mit der Zeit rückte meine Angst immer weiter in den Hintergrund. Auch, weil sich die Wespenspinne für meine Begriffe vorbildlich verhielt. Sie bewegte sich kaum und hing immer, wenn ich in den Garten kam, an der gleichen Stelle. Jedes Mal stattete ich ihr einen Besuch ab. Später fand ich weitere Individuen, darunter sogar ein Männchen. Nah heran traute ich mich bis zum Schluss nicht. Aber es war um mich geschehen: Im Spätsommer erzählte ich jedem, der zuhören wollte, von "meinen" Wespenspinnen.
Das ist nicht untypisch: Phobiker, die bereits erfolgreich an ihrer Panik gearbeitet haben, können weitere Fortschritte machen, sogar zu echten Spinnenfans werden, indem sie sich fachlich mit den Tieren auseinandersetzen. Zuletzt streifte ich mit der Handykamera über die Wiese, um weitere Arten zu identifizieren. In meiner Galerie befinden sich mittlerweile Bilder und Videos von Kreuzspinnen, Listspinnen, Wolfsspinnen und Schilfradspinnen.
Jetzt, im Herbst, fehlt von der Wespenspinne jede Spur. Als ich das erste Mal in den Garten kam und sie nicht finden konnte, war ich tatsächlich nicht erleichtert, sondern eher bedrückt. Die Weibchen sterben nach der Eiablage, sie hinterlassen einen Kokon mit etwa 300 Eiern. Im nächsten Frühling schlüpft eine neue Generation Wespenspinnen und wird vom Wind verweht – vielleicht habe ich Glück und werde live dabei sein.
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