Zitterspinnen leben in fast jedem Haushalt. Sie fühlen sich in Altbauwohnungen genauso wohl wie in Kellern, auf Dachböden oder in modernen Lofts. Dass sich manche Menschen vor den nützlichen Tieren fürchten, könnte daran liegen, dass sie wenig über ihre Mitbewohner wissen. Zeit, die geheimnisvollen Achtbeiner näher kennenzulernen.
Woher hat die Zitterspinne ihren Namen?
Die auffälligste Besonderheit der Zitterspinne ist ihr Verhalten. Kommt man den zarten Geschöpfen zu nahe oder pustet sie an, rennen sie meist nicht wie andere Arachniden davon, sondern bleiben brav an Ort und Stelle sitzen. Statt zu flüchten, wippen Zitterspinnen in ihrem Netz hektisch hin und her. So versuchen sie sich gegenüber potenziellen Fressfeinden "unsichtbar" zu machen – das klappt in der Natur deutlich besser als vor einer weißen Tapete. Von dieser Angewohnheit haben die Tiere jedenfalls ihren Namen.

Ursprünglich war die Große Zitterspinne, die heute unsere Häuser besiedelt, eine Höhlenbewohnerin Westasiens. Als Kulturfolger des Menschen haben sich die Achtbeiner in den gemäßigten Zonen des gesamten Globus ausgebreitet.
Was krabbelt denn da: Zitterspinne oder Weberknecht?
Die Große Zitterspinne (Pholcus phalangioides) ist leicht zu erkennen an ihren bis zu fünf Zentimeter langen, geknickten Beinen im Verhältnis zum stabförmigen, braun gemusterten Körper. Der Körper der Weibchen kann bis zu zehn Millimeter lang werden, die Körpergröße von Männchen liegt im Schnitt bei sechs Millimetern. Die Männchen tragen an ihren Tastern keulenförmige Geschlechtsorgane.

Der Körper der kleinen Zitterspinne (Pholcus opilionoides) ist etwa um die Hälfte kleiner, und sie ist bei uns seltener anzutreffen, insbesondere in nördlichen Regionen. Wegen der großen Ähnlichkeit ist eine Unterscheidung mit bloßem Auge je nach Entwicklungsstadium kaum möglich. Beide gehören zur Ordnung der Webspinnen (Araneae) und zur Familie der Zitterspinnen (Pholcidae), darunter die Gattung Pholcus.
Oft werden Zitterspinnen mit Weberknechten verwechselt, die über ähnlich lange Beine verfügen, deren Körper aber deutlich kompakter und nicht wie bei der Zitterspinne in Vorder- und Hinterleib geteilt ist. Zudem bewegen sich Weberknechte geschmeidiger. Wenn Zitterspinnen rennen, sieht das häufig etwas ungelenk aus. Meist tasten sie sich vorsichtig, ein Bein nach dem anderen ausstreckend voran. Zitterspinnen und Weberknechte sind trotz ihrer Ähnlichkeit nicht einmal besonders nah verwandt, letztere bilden eine eigene Ordnung (Opiliones) im Tierreich.

Ein weiteres wichtiges Erkennungsmerkmal ist das Netz: Weberknechte haben keines. Zitterspinnen hingegen spannen kreuz und quer fast unsichtbare hauchdünne, elastische Fäden, die nicht kleben. Sie dienen dazu, die Spinne zu alarmieren, wenn ein Beutetier in ihr Jagdgebiet eindringt. Die Netze hängen ebenso wie ihre Bewohner an Decken und in Ecken. Häufig bemerkt man sie erst, wenn sie bereits verlassen sind und Staub fangen. Da die Netze nicht kleben, ist das Hineinfassen deutlich weniger unangenehm als bei anderen Arten.
Zitterspinnen halten noch fettere Spinnen fern – und Ungeziefer
Mit der Arachnophobie ist es so eine Sache. Wenn die Spinne nur groß genug ist, dann bekommt es fast jeder mit der Angst. Und für viele Menschen ist diese Grenze bei einer in Deutschland ebenfalls häufig anzutreffenden Hausbewohnerin erreicht – der harmlosen, aber haarigen, bis zu zwölf Millimeter großen Hauswinkelspinne. Die gute Nachricht: Wer Zitterspinnen duldet, wird der Winkelspinne kaum begegnen.
Denn obwohl Zitterspinnen so zerbrechlich wirken, können sie es mit deutlich größeren Beutetieren wie besagter Winkelspinne aufnehmen. Für die Jagd legen sie eine Art Fußangel aus: schraubenförmig verdrehte Fangfäden (Schraubfäden), in denen sich Insektenbeine leicht verhaken. Zappelt ein potenzielles Beutetier in einer solchen Fußangel, rennt die Zitterspinne herbei und wickelt den Gegner unter Einsatz ihrer langen Hinterbeine ein. Dabei produziert sie beständig weitere Fäden in ihren Spinndrüsen, die sie auf das Beutetier wirft, bis es fest verschnürt ist. Anschließend wird die Beute nach Spinnenart mit einem speziellen Giftcocktail getötet, aufgelöst und ausgesaugt.

Auch andere eher unangenehme Hausgenossen wie Kellerasseln, Wanzen, Fliegen und Mücken, die sich gerade im Sommer gern in die Wohnung verirren, stehen auf dem Speiseplan der Zitterspinne. Selbst zur Jagd auf Vorratsschädlinge wie Silber- und Papierfischchen gibt es anekdotische Berichte. Damit ist die Zitterspinne so etwas wie ein Kammerjäger, der kostenlos arbeitet und rund um die Uhr im Einsatz ist.
Hilfe, meine Zitterspinnen vermehren sich extrem
Weibchen können bis zu drei Jahre alt werden, Männchen etwas weniger. Um die Population stabil zu halten, sind sie das ganze Jahr über paarungsbereit. Ein bis zwei Wochen nach der Paarung schwillt der Hinterleib der weiblichen Zitterspinne ballonartig an. Sie legt bis zu 20 Eier, die sie bis zum Schlüpfen der Jungen bewacht und häufig in einem Seidenkokon im Maul mit sich herumträgt. Die geschlüpften Jungspinnen verlassen den Kokon nicht sofort, sondern bleiben noch einige Zeit dicht verknäult in der mütterlichen Fürsorge.

In den nächsten Tagen entfernen sich die Jungspinnen immer weiter von ihrer Mutter und suchen sich schließlich ihre eigenen Reviere. Während ihres Wachstums häuten die Spinnen sich einige Male und streifen ihre zu klein gewordene Hülle ab. Das sieht dann so aus, als ob sie tot wären. In Wahrheit sitzen sie quicklebendig irgendwo in der Nähe – ein ganzes Stück größer.
Mitunter lassen sich Spinnen beobachten, die friedlich nebeneinander leben und deren Netze sich sogar überlappen. Allerdings kann es über kurz oder lang zu Revierkämpfen kommen oder bei Nahrungsmangel mitunter auch zu Kannibalismus. Zudem können die Spinnen nur überleben, wenn sie genug Nahrung finden. Die Population kontrolliert sich letztlich selbst. Möchte man die Tiere trotzdem nicht in der Wohnung haben, lassen sie sich problemlos mit einem Glas oder Spinnengreifer einfangen und aussetzen.
Wer mehr über den faszinierenden Lebenszyklus der Zitterspinnen erfahren möchte, findet unter diesem Link ein minutiöses Protokoll eines Spinnenlebens mit erstaunlich detaillierten Bildern der Jungenaufzucht.
Sind Zitterspinnen für Menschen gefährlich?
Kurz: nein. Zur Gefährlichkeit von Zitterspinnen kursieren zwei Mythen. Zum einen wird behauptet, Zitterspinnen seien die giftigsten Spinnen der Welt, zum anderen, dass ihre Kieferklauen (Cheliceren) glücklicherweise zu kurz seien, um Menschen zu beißen. Beides ist falsch.
Eine wissenschaftliche Studie hat die in Nordamerika verbreitete Zitterspinnenart namens Physocyclus mexicanus näher untersucht. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass die Cheliceren der Spinne sehr wohl die menschliche Haut durchdringen können. Aber während ihr Gift in der Lage ist, Insekten zu töten, verursacht es bei Menschen allenfalls einen kurzen Stich. Und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass es bei der verwanten Gattung Pholcus, zu der die bei uns heimische Große Zitterspinne gehört, anders ist.
Auch die US-Dokuserie "Myth Busters" (deutsch: "Mythen-Entlarver"; Video Minute 41) nahm sich der Frage an. Moderator und bekennender Arachnophobiker Adam Savage hielt vor laufender Kamera seinen Arm in eine Röhre voller Zitterspinnen. Nach einigem Gezappel ließ sich scheinbar eine dazu hinreißen, ihn in den Finger zu zwicken. Savage behauptete jedenfalls, ein winziges, kurzes Brennen gespürt zu haben. Der anwesende Spinnenforscher nickte wissend, genau so fühle es sich an: "That's it!" ("So ist es!").
Die Anekdote zeigt, dass es nicht allzu wahrscheinlich ist, von einer Zitterspinne gebissen zu werden – und dies zu bemerken.