Meerestiere Risiko Umzug: Warum der Hauswechsel für Einsiedlerkrebse lebensgefährlich ist

Einsiedlerkrebs
Bereits vor rund 150 Millionen Jahren taperten Vorfahren von Einsiedlerkrebsen an den Urstränden entlang, heute gibt es mehr als 800 Spezies
© Saowakhon Brown / Getty Images
In allen Meeren findet man sie: Krebse, die leere Schneckenhäuser als Domizil beziehen. Das geniale Prinzip hat sich schon zu Urzeiten entwickelt. Doch es birgt Gefahren 

Fressen und gefressen werden: Das ist ein Grundprinzip in der Natur. Beute machen einerseits. Sich selbst außer Gefahr bringen andererseits. Krebse können mit ihren Scheren nach Fressbarem greifen oder sich damit zur Wehr setzen. Und ihr Panzer schützt ihr schmackhaftes Fleisch vor mancherlei hungrigem Maul. Dennoch ist die Schale nicht hart genug, um allen Zähnen standzuhalten. 

Warum nicht eine noch robustere Rüstung suchen? Auf den Einfall sind manche Krustentiere schon zu Zeiten der Dinosaurier gekommen. Fossilfunde aus dem Jura zeigen, dass vor gut 150 Millionen Jahren Vorfahren der Einsiedlerkrebse sich in den leeren Kalkschalen von Ammoniten einrichteten. 

Eine Idee mit Zukunft: Zwar sind die Ammoniten vor 66 Millionen Jahren ausgestorben, doch die Einsiedlerkrebse haben überlebt. Mehr als 800 Spezies – in beinahe allen marinen Lebensräumen verbreitet – suchen heute Schutz in verlassenen Schneckenhäusern. 

Die größere der beiden Scheren dient praktischerweise als Deckel

Der Körper der Krebse hat sich im Laufe der Evolution den fremden Hüllen optimal angepasst: Ihr geringelter Hinterleib passt perfekt in die gedrehte Schale. Ein Paar Beine mit Scheren und vier Laufbeine ragen aus dem Domizil, zwei weitere verkürzte Beinpaare halten das Haus fest. Droht Gefahr, zieht sich der Einsiedler rasch zurück, die größere der beiden Scheren schließt die Öffnung wie ein Deckel ab. 

Brenzlig wird es allerdings in bestimmten Wachstumsphasen. Dann müssen sich die Krustentiere eine größere Unterkunft suchen. Ein heikles Unterfangen, denn der normalerweise verborgene Hinterleib ist zart und verletzlich. Und: Die Konkurrenz ist groß, der Wohnungsmarkt heiß umkämpft, unbesetzte Schneckenhäuser sind vielerorts Mangelware. 

Hat der wachsende Krebs Glück und befindet ein potenzielles neues Heim nach eingehender Prüfung für geeignet, huscht er so rasch wie möglich ins geräumigere Quartier.  Manche Einsiedlerkrebse stellen sich sogar der Größe nach in einer Reihe auf, wenn es um den Umzug geht: Der größte Krebs nimmt zuerst ein neues, leeres Gehäuse, das er gefunden hat, in Beschlag. Danach folgt flugs der nächstkleinere und so weiter. So schlüpft jeder Krebs ins passende Eigenheim. 

Es ist ein strategisch kluges Tauschgeschäft: Denn so bekommen gleich mehrere Krebse ein für ihre Größe geeignetes Gehäuse. Und sind bloß so kurz wie möglich nackt – und ohne Schutz.