GEO.de: Sie hatten abends auf hoher See plötzlich Tausende von Singvögeln an Bord. Wo kamen all die Vögel eigentlich her?
Martin Grimm: Genau wissen wir es nicht. Aber wir hatten ein paar Tage zuvor schlechtes Wetter, das die Vögel, die Richtung Süden ziehen, in Südskandinavien und dem Balitkum aufgehalten hatte. In der Nacht wurde das Wetter besser, und der Wind hatte sich etwas gelegt. Viele Vögel haben sich dann wohl entschieden, noch in der Dämmerung loszufliegen. Auch einige von denjenigen Arten, die eigentlich eher am Tag ziehen, wie etwa Buch- und Bergfinken.
Und dann wurden sie vom Licht des Schiffes angelockt?
Ja, wir waren als Lichtpunkt auf weiter Fläche eine Attraktion für die Vögel. Das lässt sich nicht vermeiden, wenn man auf hoher See ankert. Denn die Schiffe müssen aus Sicherheitsgründen beleuchtet sein.
Warum ziehen Singvögel überhaupt nachts?
Zum einen, um bei den kühleren Temperaturen Energie zu sparen. Zum anderen, weil sie so ihren Jägern aus dem Weg gehen ...
... normalerweise ...
Stimmt, in diesem Fall hat das nicht funktioniert. Wir hatten insgesamt drei Sperber und eine Sumpfohreule mit an Bord, die sich wie an einer gedeckten Tafel bedient haben. Dass Sperber ziehenden Singvogeltrupps hinterherfliegen und sich im Flug mit Proviant versorgen, ist bekannt. Dass sie das auch nachts tun, war uns neu.
Warum sieht es auf einigen Bildern so aus, als würden Sperber und Singvögel miteinander kuscheln?
Berechtigte Frage! Keiner von den Kollegen, die sich schon lange mit Vögeln beschäftigen, hatte so etwas schon mal gesehen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass viele der Vögel, die bei uns gelandet sind, extrem geschwächt waren und den sitzenden Sperber nicht als Feind wahrgenommen haben. Seine Silhouette löste einfach nicht die richtige Reaktion aus, nämlich die Flucht. Und dann war es für die erschöpften Tiere wohl naheliegend, sich an eine größere Wärmequelle anzuschmiegen. Uns sind jedenfalls die Kinnladen runtergeklappt.