Nanostruktur Mini-Spiegel auf der Haut: Forschende entschlüsseln Farbgeheimnis des Blauhais

Blauhai nahe der Wasseroberfläche
Seine blaue Farbe tarnt den Jäger in der Dunkelheit des Meeres
© Luis Quinta / Clear the Ocean / mauritius images
Und der Haifisch, der hat Zähne – auch auf seiner Haut. In der ein ausgeklügelter Mechanismus die besondere Erscheinung des Jägers erschafft

Die Farbe Blau ist im Tierreich eine Rarität. Nur wenige Lebewesen schmücken sich damit, darunter der Pfau, der Indigofink, der Blauschnegel, der Blaufußtölpel, der Alpenbockkäfer, der Blaue Pfeilgiftfrosch, der Blaue Seestern, die Blauflügel-Prachtlibelle und die Meeresschnecke Blauer Drache.

Jedes dieser Tiere musste im Lauf der Evolution einen eigenen Weg finden, um die besondere Farbe zu erzeugen. Nun haben Forschende das Geheimnis gelüftet, wie dies einem der bekanntesten blauen Tiere gelingt: dem Blauhai. Dabei stießen sie auf einen faszinierend ausgetüftelten Mechanismus.

Anders als an Land, wo die blaue Farbe im satten Grün der Natur hervorsticht, können sich Tiere im Dunkelblau des Meeres mit ihr tarnen. Hervorragend gelingt dies dem Blauhai (Prionace glauca), der sich so besonders gut an seine Opfer heranpirschen kann.

Die größten Raubfische der Meere sind mitunter erstaunlich vorsichtig – und sozial

Raubfische Neues aus der Hai-Society: Das geheime Sozialleben der gefürchteten Räuber

Viele denken bei Haien unweigerlich an Mäuler voll säbelspitzer Zähne, an stumpfsinnige Räuber, die alles fressen, was ihnen vor die Schnauze schwimmt. Doch diese Vorstellung hat mit der eigentlichen Natur der formschönen Fische nicht viel zu tun. Haie haben atemberaubend feine Sinne, sie sind lernfähig, und sie schließen zuweilen Freundschaften untereinander

"Wir wissen viel darüber, wie andere Fische Farben erzeugen, aber Haie und Rochen haben sich vor Hunderten von Millionen Jahren von den Knochenfischen getrennt – daher handelt es sich hier um einen völlig anderen evolutionären Weg der Farberzeugung", sagt Studienleiter Mason Dean.

Die Haie besitzen an ihrer Oberfläche nicht einfach blaue Farbpigmente. Stattdessen wird die charakteristische Färbung durch eine außergewöhnliche Anordnung aus Spiegeln und Zähnen hervorgerufen. Diese erlauben womöglich sogar, dass der Hai seine Farbe ändern kann.

Fantastische Tierwesen: Kennen Sie schon diese acht kuriosen Kreaturen?
Kennen Sie schon diese acht kuriosen Kreaturen?

Blauhaie sind mit Hautzähnchen bedeckt, Placoidschuppen genannt. Sie sind multifunktionale Wunderwerke. Sie bilden eine feste Struktur, die den Hai wie ein Exoskelett schützt. Zugleich bietet sie dem Wasser nur wenig Strömungswiderstand, weswegen das Tier besonders gut durchs Meer gleitet. Unterwasserorganismen können zudem schlecht an ihr haften, sie wirkt wie eine Antifouling-Beschichtung bei Schiffen.

Die Hautzähnchen haben aber noch eine weitere Funktion, wie Forschende der City University in Hong Kong nun entdeckt haben. Sie sind nämlich auch für die blaue Farbe verantwortlich.

Blauhai Haut in der Nahaufnahme
Bedeckt ist die Oberfläche von Knorpelfischen wie dem Blauhai von einer schuppenartigen Struktur, deren Bestandteile denselben evolutionären Ursprung haben wie Zähne. Diese "Hautzähnchen" ähneln ihren zubeißenden Verwandten daher in vielen Eigenschaften wie dem Aufbau

Foto: Creative Commons
© Viktoriia Kamska

In ihrem Inneren wirkt ein komplexer Mechanismus, der den Hai blau erscheinen lässt. Dieser beruht auf zwei Tricks, die sich gegenseitig verstärken. Die Hautzähnchen besitzen eine Pulpenhöhle. Bei menschlichen Zähnen ist sie mit Zahnmark gefüllt. Im Blauhai stecken darin Guaninkristalle, die wie kleine Spiegel fungieren und spezifisch blaue Farbe reflektieren. Zudem befinden sich dort melaninhaltige Vesikel, die andere Wellenlängen absorbieren und den blauen Farbeindruck intensivieren. "Diese Komponenten sind in separaten Zellen verpackt, die an mit Spiegeln gefüllte Beutel und Beutel mit schwarzen Absorbern erinnern, aber eng miteinander verbunden sind, sodass sie zusammenwirken", erklärt die Forscherin Viktoriia Kamska.

Mithilfe von Computersimulationen untersuchte das Team, wie diese Nano-Architektur die Farbe produziert. "Das Faszinierende ist, dass wir winzige Veränderungen in den Zellen, die die Kristalle enthalten, modellieren und somit nachvollziehen können, wie sie die Farbe des gesamten Organismus beeinflussen", sagt Dean.

Denn das Team entdeckte, dass die Farbe davon abhängt, wie die Guaninkristalle aufgebaut sind. Würde man die Abstände zwischen ihren Schichten minimal verändern, würden andere Wellenlängen reflektiert. Während engere Abstände das ikonische Blau erzeugen, verschieben größere Abstände die Farbe in Grün- und Goldtöne.

Dieser Mechanismus macht den Aufbau von außen beeinflussbar, wie die Simulationen ergaben. Wasserdruckveränderungen oder Feuchtigkeit können die Struktur der Kristalle verändern und somit die Körperfarbe der Tiere beeinflussen.

Entsprechend haben die Forschenden den Verdacht, dass sich Blauhaie mit diesem Trick an ihre Umgebung anpassen. Je tiefer ein Hai beispielsweise schwimmt, desto größer ist der Druck, dem seine Haut ausgesetzt ist, und desto enger werden die Guaninkristalle zusammengedrückt. Dies sollte die Farbe des Hais dunkler machen, sodass er besser an seine Umgebung angepasst ist. Als Nächstes will das Team daher untersuchen, ob dieser Mechanismus bei Haien in natürlicher Umgebung tatsächlich vorkommt.

Die Entdeckung könnte neue technische Anwendungen in der Bionik inspirieren. "Ein solch multifunktionales strukturelles Design – eine Oberfläche, die Eigenschaften für Hochgeschwindigkeitshydrodynamik und Tarnoptik vereint – ist unseres Wissens bisher noch nie gesehen worden", sagt  Dean.

Die Forschenden hoffen auch, dass sich daraus ökologisch nachhaltigere Materialien erschaffen lassen. "Die strukturelle Färbung hat gegenüber der chemischen einen großen Vorteil: Sie verringert die Toxizität von Materialien und reduziert die Umweltverschmutzung ", sagt Kamska.

mls

Mehr zum Thema