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Betagte Orca-Dame Lolitas "Befreiung": Kein Sieg für den Tierschutz

Zungen-Küsschen für die Trainerin: Lolita im Jahr 2015
Zungen-Küsschen für die Trainerin: Lolita im Jahr 2015
© mauritius images / Paul Hennessy / Alamy / Alamy Stock Photos
Jahrelang haben Aquariumsbetreiber und Tierschützer über den Verbleib der mittlerweile 57 Jahre alten Orca-Dame gestritten. Nun soll sie in ein Meeresrefugium überführt werden. Und das Unternehmen nutzt die "historische" Einigung für die eigene PR

Lolita ist die Überlebende eines brutalen Überfalls: Bei dem Versuch, das junge Schwertwal-Weibchen am 8. August 1970 mit 79 Artgenossen an der Küste im Nordwesten der USA in eine Bucht zu treiben und zu fangen, starben mindestens fünf Schwertwale. Sieben von ihnen wurden an Aquarien verkauft, darunter auch jenes Tier, das später unter dem Namen Lolita bekannt wurde.

Lolita hat zwar bis heute überlebt, aber ihre Lebensgeschichte war am 8. August 1970 beendet: Über ein halbes Jahrhundert verbrachte das Tier, das die ersten vier Jahre seines Lebens grenzenlose Freiheit im Familienverband genossen hatte, in einem Becken von "Miami Seaquarium" in Florida, einem Gehege von nicht einmal sechs Metern Tiefe und 24 Metern Länge. Ausgesetzt den Blicken von zahlenden Schaulustigen, gezwungen, "Kunststücke" zu vollbringen. Ein Artgenosse, der zunächst mit ihr zusammen eingesperrt war, starb zehn Jahre später an Hirnschäden, die er sich durch Stöße gegen die Beckenwand selbst zugefügt hatte.

Lolitas Martyrium endete nicht, als die US-Regierung im Jahr 2005 die Orca-Population der Southern Residents, zu der auch Lolita gehört, als bedrohte Spezies anerkannte. Auch nicht, als 2015 auch die Individuen in Gefangenschaft dazugerechnet wurden, die bis dahin ausgenommen waren. Es endet jetzt, weil die betagte Dame zum Geldverdienen nicht mehr taugt: Nach einem alarmierenden Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums über die Haltungsbedingungen für das inzwischen 57 Jahre alte Tier musste sie 2022 aus dem Programm genommen werden.

Auswilderung unmöglich

Man kann sich nun darüber freuen, dass sich die Betreiber des Parks (allerdings nach jahrelangem Ringen) mit Tierschutzorganisationen und privaten Geldgebern darauf geeinigt haben, das Tier in ein Refugium in seiner alten Heimat zu entlassen: Jede Verbesserung der Haltungsbedingungen ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch ein Durchbruch für den Tierschutz ist das nicht.

Lolita ist zu alt und hat zu lange in Gefangenschaft gelebt, um erfolgreich ausgewildert werden zu können. Sie wird ihren Lebensabend also in einer Art Meeresrefugium verbringen. Vermutlich allein, denn sie ist die letzte Überlebende der insgesamt 45 gefangenen Mitglieder ihres Clans. Bis zu zwei Jahre lang soll nun nach einer geeigneten Lösung gesucht werden. Über den genauen Ort und die Größe des Refugiums ist noch nichts bekannt.

"Wir haben uns immer verpflichtet gefühlt, dem Wohlbefinden der Tiere, über allem anderen, die höchste Priorität einzuräumen," sagt der Aquariumschef in einem Pressestatement. Und spricht von einer "historischen Initiative", einer nie dagewesenen Zusammenarbeit eines privaten Unternehmens und einer Tierschutzorganisation, von gemeinsamen Zielen, die möglich machen, was bislang unerreichbar schien.

Ein leicht durchschaubarer PR-Gag. Denn Tierschutzorganisationen fordern nicht altersgerechte Ruhesitze, sondern nach wie vor ein Verbot der Gefangenhaltung und Zurschaustellung so intelligenter und sozialer Meeressäuger wie Orcas und Delfine: Artgerecht ist nur die Freiheit.

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