Immer wieder werden junge Igel von tierlieben Menschen ins Haus geholt oder zu Auffangstationen gebracht. Dabei handelt es sich laut NABU um falsch verstandenen Tierschutz, weil Igel laut Bundesnaturschutzgesetz nicht gefangen werden dürfen. Eine Entnahme aus der Natur sei nur in absoluten Ausnahmen erlaubt – etwa, um verletzte oder eindeutig kranke Tiere zu pflegen.
Wann so eine Ausnahmesituation gegeben ist, können Laien nur schwer einschätzen. Entdeckt man im Spätsommer kleine Igel im Garten, die womöglich sogar nach ihrer Mutter rufen, erweckt das Mitleid. Oft ist dieses Verhalten aber vollkommen natürlich.
Igeljunge erkunden schon früh die Welt
Blind, taub und mit weichen, weißen Stacheln kommt der Igelnachwuchs auf die Welt, ein Wurf umfasst durchschnittlich fünf Junge. Augen und Ohren öffnen sich im Schutz des Nestes nach etwa zwei Wochen, frühestens mit drei Wochen unternehmen die Kleinen erste Ausflüge mit der Mutter. In der nächsten Zeit lernen sie ihre Umgebung kennen und begeben sich vermehrt eigenständig auf Futtersuche. "Manchmal verliert ein Igeljunges bei all den kulinarischen Verlockungen den Überblick und findet den Weg zum Nest nicht mehr zurück", schreibt die Deutsche Wildtier Stiftung. Mit leisen Pieplauten rufe es dann nach der Mutter, die ihr Junges wieder einsammle.
Störungen am Nest unbedingt vermeiden
Brenzlig wird es für junge Igel meistens erst, wenn die Mutter nicht zurückkehrt – etwa weil sie von einem Auto überfahren wurde. Auch können Störungen am Nest das Muttertier dazu veranlassen, die Jungen aufzugeben. In der Folge verhungern sie, denn in den ersten sechs Lebenswochen werden sie gesäugt. "Um die Jungen zu retten, müssten sie dann in menschliche Obhut", weiß die Vorsitzende des Pro Igel e.V., Heike Philipps. "Die Aufzucht von Igelsäuglingen gehört in erfahrene Hände, die flächendeckend aber nicht zur Verfügung stehen. Fast der gesamte Igelschutz lastet auf ehrenamtlichen (überwiegend weiblichen) Schultern. Schon deshalb sollte jeder künstlich produzierte Igel-Notfall besser gar nicht erst auftreten." Wurde ein Nest bei Garten- oder Bauarbeiten versehentlich aufgedeckt, handle es sich dabei bereits um eine massive Störung. "Am besten sofort leise und vorsichtig alles wieder zudecken und die Aktivitäten für zwei bis drei Wochen in einem größtmöglichen Umkreis einstellen", erklärt Philipps. Auf keinen Fall solle man ein Igelnest samt Bewohner in Eigenregie an einen anderen Platz bringen.
Erste Hilfe für Igelkinder im Garten
Igel sind nachtaktiv. Sieht man die Jungtiere vermehrt am Tag durch den Garten wandern, könne das nicht zurückgekehrte Muttertier, ein leerer Magen oder ein zerstörtes Nest Grund dafür sein. Dann helfe eine kurzzeitig eingerichtete Futterstelle mit hochwertigem Katzennassfutter oder Rührei. Nehmen die Jungen die Nahrung an, verlagert man die Fütterung immer weiter in die Abendstunden. "Sind offensichtlich mutterlose Igeljunge für die selbstständige Futteraufnahme schon zu schwach oder zu klein, hilft nur der Umzug in einen sauberen mit Zeitungspapier ausgelegten Karton." Hier werden die Kleinen auf ein angewärmtes Handtuch gelegt und locker zugedeckt. Das weitere Vorgehen müsse mit der örtlichen Hilfsorganisation besprochen werden.
Übrigens ist auch eine flache Wasserschale hilfreich, vor allem für Igelmütter, die nachts ebenfalls auf Nahrungssuche gehen, um bei Kräften zu bleiben. Wichtig: Futter- und Trinkgefäße regelmäßig reinigen und bei Frostbeginn die Fütterung sofort einstellen.

Heranwachsende Igel brauchen einen eigenen Unterschlupf
Bei der Entscheidung, ob Jungtiere weitere Hilfe brauchen oder nicht, berät eine erfahrene Igelpflegestelle. Obwohl sie nicht flächendeckend zu finden sind, solle man bei der Suche nach einer Auffangstation nicht zu schnell aufgeben, sagt Heike Philipps. Zwar müsse man Fahrtwege meist selbst auf sich nehmen, doch der Aufwand stünde in keinem Verhältnis zu der Arbeit, die die Igelaufzucht mit sich bringe.
Oft können Igelfinderinnen und Igelfinder, die hilfebedürftige Jungtiere in die Obhut von Fachleuten gegeben haben, einen Teil des Wurfs zum Auswildern wieder abholen. In der Zwischenzeit müssten sie den Garten igelfreundlich gestalten.
Das gilt im Übrigen immer, wenn eine Igelfamilie den Garten bewohnt, denn noch vor dem Winter verlassen die Jungtiere ihre Mutter und nutzen den Herbst, um sich ausreichend Winterspeck anzufressen. Laut LBV vernachlässigen junge Igel dabei den Nestbau – sie beginnen spät und bauen das Nest ohne große Sorgfalt, weshalb viele in der kalten Jahreszeit sterben.
Hinzu kommt, dass sie in vielen Gärten keine geeigneten Bedingungen vorfinden. Igel sind Einzelgänger, daher sind mehrere Rückzugsorte wichtig. Für den Bau eines Winterquartiers brauchen die Tiere laut Philipps lediglich einen geeigneten, ruhigen Standort (zum Beispiel Hecken, Sträucher oder Totholz- und Laubhaufen) sowie Baumaterial (zum Beispiel Laub, Moos oder Stroh). Der NABU weist außerdem darauf hin, dass auch künstliche Behausungen gern von den Tieren angenommen werden.
Wer überwintert wo? Hier finden Tiere im Garten Unterschlupf

Wer überwintert wo? Hier finden Tiere im Garten Unterschlupf
Ein igelfreundlicher Garten lebt von Vielfalt. Heimische Pflanzen, naturnahe Strukturen und der Verzicht auf Pestizide und Rattengift schaffen die besten Bedingungen für ein erfolgreiches Heranwachsen der Igeljungen. Folgende Maßnahmen lassen sich leicht umsetzen:
- Den Garten zugänglich machen und mit anderen Gärten verbinden (z.B. mit einem Igeltor)
- Hecken pflanzen (zum Beispiel Liguster, Schlehe, Wildrose)
- Staudenbeete anlegen und den Rasen wachsen lassen (als Versteck und um Insekten anzulocken)
- Einen Komposthaufen anlegen oder zugänglich machen
- Eine Trockenmauer anlegen (als Versteck und um Insekten anzulocken)
- Hunde von Hecken, Sträuchern und anderen möglichen Verstecken fernhalten
Tödliche Fallen für Igel entschärfen
Vor allem für zierliche und unerfahrene Jungigel, aber auch für Alttiere werden Mähroboter, Müllsäcke am Boden und Kellerschächte oder Teichufer ohne Ausstiegshilfen schnell zur tödlichen Falle. Da Igel keine Fluchttiere sind, sondern sich bei Gefahr einrollen, werden sie oft von Mährobotern verletzt und verstümmelt. Auf die Gartenhelfer sollte man deshalb verzichten – oder sie zumindest ab der Dämmerung ausschalten. Gelbe Säcke, die über Nacht auf dem Grundstück oder auf dem Gehweg stehen, riechen für die hungrigen Tiere verlockend. Sie können sich an scharfen Gegenständen darin verletzen, in Verpackungen verfangen oder im schlimmsten Fall mit der Müllabfuhr abtransportiert werden.