Erdrotation Talsperren lassen die Erdachse taumeln

Wassermassen am Damm
Das Wasserkraftwerk in der Drei-Schluchten-Talsperre in der chinesischen Provinz Hubei gilt als das größte der Erde. Durch die Abriegelung des Flusses Jangtsekiang entstand ein Hunderte Kilometer langer Stausee
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Neue Berechnungen zeigen: Aufgestaute Flüsse verändern die Rotationsachse der Erde. Und Staudämme haben auch Auswirkungen auf den Anstieg des Meeresspiegels 

Moderne Globen drehen sich präzise um ihre eigene Achse. Ganz wirklichkeitsgetreu ist das nicht, denn tatsächlich ist die Achse, um die sich die Erde dreht, nicht starr. Die Erde eiert oder taumelt leicht – unter anderem, weil die Massen in ihrem flüssigen Inneren in Bewegung sind. Weil sich Kontinente langsam verschieben, weil sich große Eismassen bilden oder abschmelzen. Die geografischen Pole beschreiben spiralförmige Bewegungen auf der Erdoberfläche.

Jetzt haben Forschende herausgefunden, dass auch von Menschen aufgestaute Wassermassen die Pole schwanken lassen. Wie das Team in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" berichtet, hat die Errichtung von knapp 7000 Dämmen zwischen 1835 und 2011 die Pole der Erde um mehr als einen Meter wandern lassen. Ausgelöst von dem Gewicht von Wassermassen, die den Grand Canyon zweimal füllen könnten.

Bei der Analyse der Daten zeigte sich, dass sich die Polbewegung nicht gleichmäßig, sondern in zwei Phasen vollzog. Zwischen 1835 und 1954 wurden demnach vor allem in Nordamerika und Europa viele Staudämme gebaut – wodurch sich die Pole um etwas mehr als 20 Zentimeter in Richtung des 103. östlichen Meridians oder Längengrades verschoben. In der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums vollzog sich dann eine Verschiebung um 57 Zentimeter in Richtung des 117. westlichen Längengrades. Grund dafür war der Bau von Staudämmen in Afrika und Asien.

Über den gesamten Zeitraum von 1835 bis 2011 wanderten die Pole der Erde um etwa 113 Zentimeter; 104 Zentimeter entfallen allein auf das 20. Jahrhundert.

Auswirkungen nicht nur auf die Erdrotation

Zwar sei diese Verschiebung gering, ergänzen die Forschenden. Doch die Berechnungen könnten helfen, die Auswirkungen der klimabedingten Gletscherschmelze auf die Erdachse zu verstehen. Und die Folgen für die Ozeane. Denn die Studie förderte noch einen weiteren Nebeneffekt des Wasser-Aufstauens zu Tage: "Wir werden nicht in eine neue Eiszeit fallen, weil sich die Pole […] verschoben haben, aber es gibt auch Auswirkungen auf den Meeresspiegel", sagt die Hauptautorin der Studie, Natasha Valencic von der Harvard University in einer Pressemitteilung.

Durchschnittlich ist im 20. Jahrhundert der Meeresspiegel jedes Jahr um 1,2 Millimeter angestiegen. Doch der Anstieg wäre noch höher ausgefallen, gäbe es die weltweiten Talsperren und Staudämme nicht – um insgesamt zwei Zentimeter nämlich, mit regionalen Unterschieden. "Das ist eine weitere Sache, die wir berücksichtigen müssen", sagt Valencic, "denn diese Veränderungen können ziemlich bedeutend sein."