Tiefsee-Expedition Plastiktüten in fünf Kilometer Tiefe: Das Mittelmeer wird zur Mülldeponie

Müll in der Tiefsee
Eine Plastiktüte torkelt über den Grund des mehr als fünf Kilometer tiefen Calypsotiefs
© Caladan Oceanic
Das Mittelmeer gehört zu den am stärksten mit Plastikmüll belasteten Meeren. Eine Tauchfahrt zu seiner tiefsten Stelle zeigte nun: Die Tiefsee könnte zu einem Endlager werden

Vermüllte Strände sind ein trauriger Anblick – aber längst kein ungewöhnlicher mehr. Doch wie sieht es in der ewigen Finsternis der Tiefsee aus? Nicht viel besser. Das ist, kurz gefasst, das Ergebnis einer Tauchfahrt zum tiefsten Punkt des Mittelmeers.

Im Calypsotief, 60 Kilometer südwestlich der griechischen Halbinsel Peloponnes, stieß ein Forschungsteam bei einem Tauchgang in 5112 Meter Tiefe auf 167 Gegenstände aus Plastik, Glas, Metall und Papier: eine der höchsten Konzentrationen von menschengemachtem Müll, der je in der Tiefsee registriert wurde, wie die Forschenden im Fachmagazin "Marine Pollution Bulletin" schreiben. 

"Der Müll könnte auf verschiedenen Wegen dorthin gelangt sein", sagt der Studienleiter, Prof. Miquel Canals von der Universität Barcelona in einer Presseerklärung. "Einige leichte Abfälle, zum Beispiel Plastik, kommen von der Küste." Darunter Tüten, die nur knapp über dem Grund mit der Strömung ziehen, bis sie teilweise oder ganz verschüttet werden oder in kleinere Fragmente zerfallen. Das Forschungsteam fand aber auch Beweise dafür, dass die Besatzungen von Schiffen und Booten ihren Müll direkt im Meer entsorgen.

Das Calypsotief ist ein Ergebnis der Plattentektonik: An dieser Stelle schiebt sich die afrikanische Kontinentalplatte unter die eurasische. Und was immer von oben kommt, findet hier seine letzte Ruhestätte. "Die schwachen Strömungen im Tief – etwa zwei Zentimeter pro Sekunde – begünstigen die Ablagerung von leichtem Abfall am Boden", sagt Canals. Während der 43-minütigen Tauchfahrt mit einem Spezial-Tauchboot konnten die Forschenden eine gerade Linie von 650 Metern über dem Grund abfahren.

Welche Auswirkungen die Müllpartikel auf die Ökosysteme der Tiefsee haben, ist bislang wenig erforscht. Klar ist: Kunststoffe und Metalle zerfallen unter den Bedingungen der Tiefsee weitaus langsamer als im oberflächennahen Wasser. Auf den Bildern konnte das Forschungsteam neben Müll lediglich zwei natürliche Bewohner der Tiefsee feststellen: den Mittelmeer-Grenadierfisch Coryphaenoides mediterraneus und eine Garnele der Spezies Acanthephyra eximia.

Schon 2017 hatten Forschende im Challengertief, in fast elf Kilometer Tiefe, in fast allen gesammelten Organismen Mikroplastik gefunden. "Unsere Funde zeigen, dass es sehr wahrscheinlich kein marines Ökosystem mehr gibt, das nicht von menschengemachtem Müll betroffen ist", sagte der Leiter der Studie, Alan Jamieson, damals.

Jedes Jahr gelangen Schätzungen zufolge bis zu zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane – vor allem über die großen Flüsse. Es sei nun wichtig, das öffentliche Bewusstsein für diesen empfindlichen Lebensraum zu schärfen, sagt Miquel Canals. "Das Problem ist da, und es hat eine enorme Tragweite, auch wenn es nicht direkt sichtbar ist." Es sei nicht falsch zu sagen, dass "nicht ein Zentimeter des Mittelmeers" sauber sei.