Mikroplastik Das meiste Plastik liegt nicht auf dem Strand – sondern versteckt sich darunter

Oahu Beach, Hawaii
Ein unberührter Sandstrand? Der Schein trügt: Forschende haben an Stränden der hawaiianischen Insel Oahu große Mengen Mikroplastik tief im Sand entdeckt
© Vacclav / Getty Images
Nicht im Spülsaum, sondern in einer Tiefe bis zu einem Meter liegt der größte Teil des angeschwemmten Plastiks. Das zeigt eine Studie von drei Stränden in Hawaii

Schätzungen zufolge sammeln sich rund zwei Drittel des Plastiks in den Ozeanen an Stränden. Doch was Strandspaziergänger im Spülsaum finden, ist nur die Spitze des Eisbergs. Forschende haben im Strandsand von Hawaii gegraben und eine unschöne Entdeckung gemacht: Der meiste Kunststoff ist gar nicht auf dem Strand zu finden – sondern verborgen in der Tiefe.

Für ihre Untersuchungen haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des französischen Meeresforschungsinstituts Ifremer, der Hawai'i Pacific University und Mitarbeitende der NGO The Ocean Cleanup mit gutem Grund Strände der Trauminseln ausgesucht: Die Inselgruppe befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft eines fast 1,6 Millionen Quadratkilometer großen Müllstrudels im Nordpazifik.

An drei Stränden der Insel Oahu nahmen sie Proben von der Oberfläche und in Zehn-Zentimeter-Schritten bis in eine Tiefe von einem Meter. Die Überraschung: Die höchsten Plastik-Konzentrationen, überwiegend Polypropylen und Polyethylen, fand das Team nicht an der Oberfläche – sondern in einer Tiefe zwischen 60 und 90 Zentimetern. Insgesamt befanden sich mehr als 90 Prozent des gefundenen Kunststoffs unterhalb der Oberfläche. Weiterhin zeigte sich, dass die Körnung des Strandsandes mit der Größe der Plastikpartikel korrespondierte: Je feiner der Sand, desto mehr sehr kleine Partikel waren darin enthalten.

"Gesamtmenge des Plastiks an den Stränden unterschätzt"

"Die Strände von Hawaii zeigen uns, dass die Fokussierung auf die Oberfläche dazu führt, dass wir die Gesamtmenge des Plastiks an unseren Stränden unterschätzen", sagt die Ifremer-Forscherin und Erstautorin der Studie, Astrid Delorme. Ähnliche Ergebnisse hatten zuvor schon Grabungen an den Stränden der Azoren, Brasiliens und Russlands zutage gefördert.

Besondere Sorge bereiten den Forschenden jene Plastikteile, die unter Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung und mechanische Reibung in immer kleinere Plastikteile zerfallen, das Mikroplastik. "Es ist wichtig, die Strände zu säubern, bevor die Kunststoffe zu Mikroplastik werden, denn wenn sie erst einmal zersplittert sind, lassen sie sich nur noch schwer entfernen", sagt Delorme. Die eigentliche Lösung für den Erhalt unserer Meeres- und Küstenökosysteme liege aber in der reduzierten Produktion von Kunststoffen.

Einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts zufolge wird sich die weltweite Kunststoffproduktion bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. Da ein Teil davon über die Flüsse in die Weltmeere gelangt, könnte sich Makroplastik – die Vorstufe des Mikroplastiks – in den Ozeanen in den kommenden drei Jahrzehnten vervierfachen.

Über die Auswirkungen von Mikroplastik in den Meeresorganismen ist bislang wenig bekannt; nur für wenige Arten wurden die schädlichen Effekte gezielt erforscht. Immerhin wurden bei knapp 90 Prozent der untersuchten Meeresorganismen negative Auswirkungen festgestellt.

Der Punkt "Plastikmüll in den Ozeanen" steht auch bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza ganz oben auf der Agenda. Im August dieses Jahres trifft sich die internationale Staatengemeinschaft erneut in Genf, um über ein verbindliches Plastikabkommen zu verhandeln, das die Vermüllung der Ozeane beenden soll.