Zwischen Strandkieseln und Bernstein finden Sammler an deutschen Stränden immer öfter auch Munitionsreste aus den beiden Weltkriegen. Und immer wieder werden solche Funde einer Spaziergänger*innen zum Verhängnis: Denn mitunter entpuppen sich Klumpen, die Sammler für Bernstein halten, als Phosphor. Die Folge: Die gefährliche Chemikalie kann sich in der Tasche entzündeten.
In unserem Interview mit Buchautor Frank Rudolph können Sie noch einmal nachlesen, worauf es bei Strandfundstücken zu achten gilt:
GEO.de: Herr Rudolph, Sie sammeln und schreiben Bücher über Fossilien und Steine am Strand. Nun haben Sie ein Buch über Munitionsreste am Strand herausgegeben. Haben Sie selbst auch mal was gefunden?
Frank Rudolph: Ja, Nitrozellulosestangen etwa, die als Treibladung verwendet wurden. Auch sogenannte Schießwolle, ein Marinesprengstoff. Phosphor noch nie, zum Glück.
Was macht Phosphor so gefährlich?
Phosphor entzündet sich bei Körpertemperatur und wird flüssig, brennt mit 1300 Grad Celsius ab - und lässt sich mit Wasser nicht löschen. Die Chance, so etwas im Sommer zu finden, ist allerdings relativ gering, weil der Phosphor sich bei über 20 Grad selbst entzündet und verbrennt. Im Winter ist die Gefahr deutlich höher.
Munitionsreste sehen manchen natürlichen Mineralien und Bernstein zum Verwechseln ähnlich. Kann man überhaupt noch irgendetwas anfassen am Strand?
Ja, natürlich. Man muss sich allerdings informieren. Der einfachste Tipp ist: Man sammelt alles, was interessant ist, in einen kleinen Blecheimer. Wenn tatsächlich was passieren sollte, kann man den fallen lassen. Der größte Fehler ist, dass man irgendwelche Funde in die Hosentasche steckt. Das gilt vor allem für "Bernstein", der auch ein Stück Phosphor sein kann. Alles Übrige ist zwar teilweise gesundheitsschädlich, aber nicht unmittelbar lebensbedrohlich.
Gibt es offizielle Zahlen zu Unfällen mit Munitionsresten?
Nicht, dass ich wüsste.
Wird genug über die Gefahr aufgeklärt?
Als vor ein paar Jahren am Strand die erste Schießwolle gefunden wurde, wusste niemand, was zu tun ist. Weder die Touristen-Informationen, noch die Hausärzte, noch die Polizeidienststellen. Aber seit ein paar Jahren ist viel in Bewegung gekommen. Es gibt zum Beispiel die Seite Munition-im-Meer.de, und es gibt Symposien und Schulungen zum Thema.
Und am Strand?
In Usedom etwa stehen Warntafeln am Strand. Die sind aber so klein, dass man sie leicht übersieht. Ich habe den Eindruck, dass die Tourismus-Verbände Sorge haben, dass die Urlauber wegbleiben. Aber das ist nicht nachvollziehbar. Die Leute fahren so oder so an den Strand und sammeln Steine. Aber wenn sie sensibilisiert sind und wissen, auf was sie achten müssen, dann ist die Gefahr nicht groß.
Seit 70 Jahren nagt der Rost an 1,6 Millionen Tonnen Bomben, Minen, Granaten, Torpedos. Die Zeit drängt. Warum wird die Munition nicht geborgen?
Es gibt immer wieder gezielte, auch internationale Suchaktionen, bei denen Munition gefunden und gesprengt oder entschärft wird. Alles zu räumen, wäre zwar möglich, aber offenbar viel zu teuer. Und wohin damit? Wenn man alle Munitionsreste, die auf dem Grund der Ostsee lagern, auf einen Güterzug laden wollte, müsste der ein Länge haben von Flensburg bis Garmisch und zurück.
Weitere Bücher des Autors:
Informationsseite der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung: www.Munition-im-Meer.de