Der Wald, zumal der naturnahe, gilt vielen als Inbegriff der Unberührtheit. Doch auch im Dunkel zwischen Tannen und Buchen finden sich Spuren der menschlichen Zivilisation: Forschende der Technischen Universität Darmstadt konnten nun erstmals Mikroplastik im Waldboden nachweisen – und erklären, woher es stammt.
Für ihre im Fachmagazin "Nature Communications Earth & Environment" veröffentlichte Studie sammelten sie an vier Waldstandorten östlich von Darmstadt Bodenproben und Laub aus unterschiedlichen Tiefen. Mithilfe eines aufwendigen, mehrstufigen Verfahrens erfasste das Forschungsteam Kunststoffpartikel – überwiegend Polypropylen –, die bis zu 20 Mikrometer klein sind (ein Mikrometer ist ein Tausendstelmillimeter).
Das Ergebnis: Nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in tieferen Bodenschichten fanden sich mikroskopisch kleine Plastikstückchen – zwischen 200.000 Partikel an einem und knapp einer Million an einem anderen Standort. Und sie stammen aus der Luft.

"Das Mikroplastik aus der Atmosphäre setzt sich zunächst auf Blättern der Baumkronen fest, die Wissenschaft spricht hier vom sogenannten Auskämmeffekt", erklärt der Hauptautor der Studie, Dr. Collin J. Weber vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Darmstadt in einer Pressemitteilung. Andere Eintragswege hätten dagegen nur einen geringen Einfluss. Anders als auf landwirtschaftlichen Flächen spielen größere Kunststofffragmente oder Plastik, das als Umhüllung von Düngemitteln dient, im Wald kaum eine Rolle.
Nachdem die in der Luft schwebenden Mikropartikel sich auf der Oberfläche von Blättern abgesetzt haben, erklären die Forschenden, werden sie vom Regen auf den Waldboden gespült. Oder sie fallen im Herbst mit dem welken Laub zu Boden. In tiefere Bodenschichten gelangen die Kunststoffe demnach durch Zersetzungsprozesse und durch Bodenorganismen, die organische Stoffe zerkleinern, fressen und ausscheiden.
Zusammenhang zwischen Verschmutzung des Waldbodens und der Atmosphäre erstmals nachgewiesen
Die Studie, so heißt es in der Pressemitteilung der Universität, belege erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen atmosphärischen Einträgen und der Speicherung von Mikroplastik im Waldboden.
"Wälder [sind] gute Indikatoren für die atmosphärische Mikroplastikverschmutzung", sagt Weber. Eine hohe Konzentration von Mikroplastik in Waldböden deute auf einen hohen Eintrag aus der Luft in diese Ökosysteme hin.

Die Forschenden sehen Mikroplastik als weiteren Stressfaktor für den Dauerpatienten Wald: "Wälder sind bereits durch den Klimawandel gefährdet", sagt Collin Weber, "und unsere Ergebnisse legen nahe, dass nun auch Mikroplastik eine zusätzliche Gefährdung für Waldökosysteme darstellen könnte". Doch nicht nur das: Die neuen Erkenntnisse könnten auch für die Einschätzung von gesundheitlichen Risiken für Menschen relevant sein. Denn das Plastik im scheinbar unberührten Waldboden schwebte zuvor in unserer Atemluft.