13. August 2006

Ein - nicht ganz ungefährlicher - Ausflug in den Dschungel; die erste Begegnung mit der giftigsten Schlange Südamerikas; Früchte bieten überall eine schnelle Mahlzeit - auch für die allgegenwärtigen Ameisen

Wenn ich morgens um 5:45 Uhr aufstehe, ist es noch dunkel, denn der Sonnenaufgang ist hier am Äquator um Punkt 6:00 Uhr. Das ist zumeist die Zeit, in der ich auf dem Rückweg aus der abenteuerlichen "Nasszelle" für die morgendliche Katzenwäsche bin. Ich sehe nämlich überhaupt nicht ein, mich morgens ausgiebig zu waschen, wenn ich sowieso kurz nach der Ankunft in Shanida mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit wieder pitschnass sein werde; sei es durch den Regen oder den hinabrinnenden Schweiß bei Sonnenschein.

Ein atmospärisches Feuerwerk

Diesen Morgen erwartete mich aber ein ganz besonderes Schauspiel bei Carlos' Haus. Wenn ich in dort nämlich aus meiner Zimmertür trete, habe ich an klaren Tagen einen herrlichen Blick auf den etwa 50 km entfernten Vulkan "Sumaco", der das Zentrum eines gleichnamigen Nationalparks und Biosphärenreservates ist. An jenem Morgen war nicht nur die Luft besonders klar, sondern die Sonne entschied sich ebenfalls dafür, den Vulkan unter seiner verwunschenen Wolkendecke mit ihren Strahlen für ca. drei Minuten in ein märchenhaftes Farbspektakel zu verwandeln. Leider ist auf dem Foto nur ein kläglicher Abklatsch der Wirklichkeit zu sehen. Solch ein Schauspiel ist für mich aber eine echte Entschädigung für das viel zu frühe Aufstehen.

Das sollte aber nicht die letzte Entschädigung dieses Tages bleiben, denn ich hatte das Vergnügen mit Don Mariano einen weiteren Teil des Shandiagebietes zu besuchen. Wie sich herausstellte, ist dieser Bereich einer der ursprünglichsten, den ich bisher zu sehen bekommen habe. Das ist nicht zuletzt den extremen Steigungen zu verdanken, die man auf dem Wege dahin zu überwinden hat. Oben angekommen, befanden wir uns auf einem nicht einmal einen Meter breiten Grat, der nach beiden Seiten gute 30 Meter steil abfiel. Der Boden bestand aus extrem verwittertem Gestein und wir sackten nicht selten bis zum Steißbein ein und hingen dann etwas hilflos über dem Hang.

Morgendlicher Blick auf den 50 Kilometer entfernten Vulkan Sumaco
Morgendlicher Blick auf den 50 Kilometer entfernten Vulkan Sumaco
© Torsten Lubenow

Das GPS streikt

Das Ganze wurde natürlich noch dadurch erschwert, dass ich in der einen Hand mein GPS halten muss und in der anderen zumeist das Notizheft für die geographischen Daten. Diese hätte ich an diesem Tag auch getrost zu Hause lassen können, denn es wollte sich den ganzen Tag kein brauchbarer Satellitenempfang einstellen. Was mich sehr verwunderte, denn der Himmel war wolkenlos und selbst unter geringer Laubbedeckung, die sonst kein Problem darstellt, war an eine Positionsbestimmung nicht zu denken. Aber auch ein GPS darf mal einen schlechten Tag haben.

Als ich Tage später mit einem anderen Geographen über dieses Problem redete, konnte er mir ein ähnliches Phänomen berichten. Er sei einmal mit sechs weiteren Geographen und ebenso vielen GPS-Geräten auf eine Insel gefahren. Auch dort versagten sämtliche Geräte. Selbst der Kompass mit Magnetnadel funktionierte nicht. Also lag das Problem wohl an magnetischem Gestein, das sich störend auf die Apparatur auswirkt. Die Geographen hatten jedenfalls ihre Mühe sich auf der Insel zurechtzufinden. Das Problem habe ich nie, denn ich habe ja grundsätzlich meine Guides dabei, die sich auskennen.

Diese Guides führten mich gestern in ein weiteres extrem schwer zugängliches Gebiet. Der Fußmarsch dorthin dauerte schon zwei Stunden. Dort angekommen, fühlte ich mich an so manchen Stellen in die IKEA-Pflanzenabteilung versetzt. Hier wuchsen nämlich einige uns wohl bekannte Zimmerpflanzen in einer Üppigkeit, wie sie bei uns zu Hause leider unerreichbar ist. Unser Weg führte uns mehrfach über den Río Pibi, der die Angewohnheit hat, innerhalb weniger Minuten seinen Wasserstand zu verdoppeln. Offenbar regnete es an anderer Stelle wie aus Kübeln, während wir uns mit Sprühregen vergnügen durften. Wir durchwateten gerade den etwa 25 Meter breiten Fluss, wobei wir versuchten, von einem glitschigen Stein zum nächsten zu hüpfen, um nicht zu nass zu werden. Das natürlich mit Gummistiefeln. Nicht nur stieg während unserer Durchquerung der Wasserspiegel des Flusses um einiges, auch die Strömung wurde dadurch größer. Es wurde also immer schwerer sich auf den glitschigen Steinen zu halten. Natürlich landete ich mit einem lauten platsch im Wasser.

Man versprach mir, am Ende der Wanderung an einem Aussichtspunkt anzukommen, mit einer Sicht von mehreren Kilometern über den Regenwald. Was man mir allerdings verschwieg war, dass meine Guides den Weg nicht wirklich kannten und, um dies noch einmal zu erschweren, es keinen wirklichen Weg gab. Zunächst einmal wanderten wir einen kleinen säuselnden Bach entlang, der sich einige Meter tief in die Landschaft eingeschnitten hatte und so einen kleinen Canyon bildete. Wasser rann und tropfte von den senkrechten Wänden, die mit Moosen und allerlei Epiphythen bewachsen waren. Auch hier stolperten wir von Stein zu Stein und wieder verfluchte ich die Gummistiefel, die für eine derartige Wanderung völlig ungeeignet sind. Ein Sturz hätte mit ziemlicher Sicherheit einige Knochenbrüche zur Folge gehabt, weshalb ich lieber auf allen Vieren den Bach erklomm, was zu Gelächter bei meinen flinken Begleitern führte. Dennoch waren sie es die mich zuvor darauf aufmerksam machten, dass man hier sehr vorsichtig sein sollte denn: "No hay pollo - hier gibt's keine Hühner". Das sollte so viel bedeuten wie: "Sei vorsichtig, denn die nächste Siedlung/Hilfe (hier hat ja jeder Ort seine Hühner) ist einige Stunden Fußmarsch entfernt."

Typische Regenwaldstimmung
Typische Regenwaldstimmung
© Torsten Lubenow

Spinnennetze wie klebriger Draht

Zunächst einmal ging es mit der Machete weiter durchs Gestrüpp. An die ständige Präsenz von Spinnennetzen habe ich mich schon fast gewöhnt. Dennoch ist das Gefühl in ein Spinnennetz zu laufen nicht so erquickend, dass eher aus klebrigem Draht zu bestehen scheint und fast einen Meter Durchmesser hat. Glücklicherweise ließ sich die Eigentümerin nicht blicken, was mich beruhigte. Auch sonst habe ich auf wilde Tiere scheinbar eine abschreckende Wirkung. Denn man hatte mir versichert, die ein oder andere "culebra - Giftschlange" auf meinem Wege zu Gesicht zu bekommen, was einem noch einmal um ein vielfaches umsichtiger macht, als man ohnehin schon ist. Man sollte immer gut hinsehen, wo man hinfasst und wo man hintritt. Das ist natürlich nur graue Theorie.

Die giftigste Schlange Südamerikas

In Wirklichkeit hat man oftmals nicht die geringste Ahnung, wo man gerade hinein getreten ist, denn das viele Gestrüpp verdeckt einem die Sicht. An manchen Stellen reichen einem die Pflanzen bis zu den Hüften und höher, obwohl vorher versucht wurde, das Gröbste mit der Machete zu beseitigen, so dass man nur auf "Fortuna" hoffen kann. Ich habe gelernt, in solchen Momenten die Gefahren einfach zu verdrängen und mich über die einmalige Schönheit dieser Landschaft zu freuen. "Augen zu und durch" ist die Devise. Dass diese Giftschlangen nicht nur ein Märchen sind, konnte ich diese Woche hier in Tena sehen, denn auf der Straße zu Carlos' Haus lag eine überfahrene Korallenschlange; eine der giftigsten Schlangen in Südamerika. Allerdings sei diese nicht so gefährlich, weil sich deren Giftzähne im hinteren Teil des Kiefers befinden. Meistens kommt man bei einem Biss aber nur mit den vorderen Zähnen in Berührung. Heißt es.

Nach einigen weiteren "haltlosen" Steigungen, erreichten wir aber endlich den zuvor versprochenen Aussichtspunkt und der Blick war wahrlich atemberaubend, nur leider etwas wolkenverhangen. Erstaunlicherweise war der Rückweg um ein vielfaches einfacher. Statt der zwei Stunden, die wir für den Hinweg gebraucht hatten, schafften wir den Rückweg in nur 20 Minuten. Unten angekommen, wurde erst einmal eine scheinbar wild gewachsene Bananenstaude geplündert, denn wir hatten alle mächtig Hunger.

Am reich gedeckten Tisch der Natur

Es ist für mich immer wieder ein Grund des Erstaunens, dass man überall Bananen, Chirimoyas (Eine Frucht, die etwa so groß ist, wie eine Pampelmuse, außen eine nicht essbare schwarze, grüne oder gelbe geschuppte Hülle besitzt, die ein weißliches nach Banane und Melone schmeckendes Fruchtfleisch mit nicht essbaren etwa erdnussgroßen Kernen verdeckt,...lecker!) oder andere Früchte aus den Bäumen pflücken kann und so schnell eine Mahlzeit zusammenbekommt. Was mich hier auch immer wieder erstaunt, sind die Ameisen, von den habe ich ja schon einmal berichtet.

Ameisen sind überall

Diese kleinen Biester schaffen es ÜBERALL hin, vor allem wenn dort Zucker zu finden ist, wimmelt es nur von Ameisen. So haben wir es uns hier bei Carlos zur Gewohnheit gemacht den in einer verknotete Plastiktüte "sicher" verwahrten Zucker noch zusätzlich an einem frei baumelnden Stromkabel zu hängen. Hier haben es die Biester noch nicht hin geschafft. Sonst sind sie aber überall. So habe ich mich dazu herabgelassen Instantkaffee zu kaufen, der ganz scheußlich schmeckt, aber besser ist als überhaupt keiner. Selbst dort verschlägt es die "Zuckerameisen" hin. So kann ich aus jeder aufgebrühten Tasse Kaffee um die 10 Ameisen herausfischen. Mitunter ist es fast unmöglich diese winzigen Viecher alle zu fassen zu bekommen, so dass man resigniert dazu übergeht, sie einfach mitzutrinken/mitzuessen.

Dschungelguide mit Standard-Ausrüstung: einer Machete
Dschungelguide mit Standard-Ausrüstung: einer Machete
© Torsten Lubenow
Dschungel-Tagebuch

Dschungel-Tagebuch

Für "GEO schützt den Regenwald e.V." kartierte Torsten Lubenow ein Stück unzugänglichen Regenwald in Ecuador. Seine Arbeiten sind nun abgeschlossen. In einem abschließenden Bericht blickt er auf seine abenteuerliche Zeit in Südamerika zurück