Zurzeit haben Ankündigungen des Untergangs mal wieder Konjunktur. Gleich zum Auftakt der Klimakonferenz COP27 erklärte UNO-Generalsekretär António Guterres, die Welt befinde sich auf dem Weg in die "Klimahölle", mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mahnte bei derselben Gelegenheit, die Welt steuere auf einen "Abgrund" zu.
Wer so spricht, dem kann man zumindest zugestehen, den Ernst der Lage erfasst zu haben, in der die Menschheit sich befindet: Die Bedingungen ihres eigenen Aufstiegs wenden sich nun gegen sie selbst.
Der Weltuntergang fällt regelmäßig aus
Nun ist die Rede vom Untergang, der bevorstehe, immer auch ein Mittel der Rhetorik gewesen, um entschlossenes Gegensteuern zu provozieren. Tatsächlich bräuchte es ja eine beispiellose, weltumspannende Anstrengung, um den menschengemachten Klimawandel effektiv zu begrenzen. So weit, so legitim. Allerdings ist die Rede vom Untergang immer auch problematisch.
Zum einen, weil er bislang zuverlässig ausgefallen ist – und darum leicht als hysterische Übertreibung abgetan werden kann.
Es ist zwar richtig: Die Folgen der Erderhitzung treffen vor allem und zuerst die, die am wenigsten zu ihr beigesteuert haben. Die Ungerechtigkeit ist immens, die Lebens- und Überlebenschancen sind zwischen dem Globalen Norden und Süden extrem ungleich verteilt. Und diese Ungleichheit, so ist zu befürchten, könnte sogar noch zunehmen. Doch eine Auslöschung der Menschheit steht nicht unmittelbar bevor. Der Klimawandel bricht nicht über uns herein wie ein Jüngstes Gericht.
Hinzu kommt die unerwünschte Nebenwirkung, dass Endzeit-Beschwörungen auf viele Menschen in einer an Krisen ohnehin nicht armen Zeit eher lähmend als aktivierend wirken dürften. Positive Beispiele vom klimaleichten Leben, von klimafreundlicher Politik, das wissen Umweltorganisationen längst, regen eher dazu an, sich einzumischen, mitzumachen, eigenes Verhalten zu überdenken.
Doch wer das Gerede von der Apokalypse mit guten Gründen ablehnt, hat noch keinen Grund zum Feiern. Denn die Lebensbedingungen für Homo sapiens, den "weisen" Menschen (aber auch für seine Mit-Lebewesen), auf einem sich aufheizenden Planeten werden absehbar schwieriger. Die Klimaerwärmung vollzieht sich schleichend, ihre Auswirkungen sind schon heute spürbar, wenn auch regional sehr unterschiedlich. Viele der heute am dichtesten bevölkerten Regionen Afrikas und Asiens könnten innerhalb der kommenden Jahrzehnte wegen unerträglicher Temperaturen buchstäblich unbewohnbar werden.
Und das Problem sind nicht nur die Durchschnittstemperaturen. Die Erde sei ein "hochkomplexer Organismus mit Rückkopplungen und Wechselwirkungen", die ihre Funktionen plötzlich von Dämpfung und Abkühlung auf Verstärkung und Erwärmung umstellen können, sagt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Worst-case-Szenarien in den Blick nehmen
Rockström ist einer der Autoren einer ungewöhnlichen Veröffentlichung: Im angesehen Fachjournal PNAS appellierte er kürzlich, auch Worst-case-Szenarien in den Blick zu nehmen. Man müsse nicht nur Mittelwerte beachten, sondern auch nichtlineare, extreme Risiken einkalkulieren.
Das ist nun keine Panikmache, keine Warnung vor der Apokalypse. Sondern die schlichte Mahnung, nicht nur die glimpflichen oder mittleren Szenarien des IPCC für möglich zu halten. Und stattdessen Vorsorge zu treffen, die schon heute ungeheuren Lasten möglichst gerecht zu verteilen.
Und vor allem: Den Ausstoß von Klimagasen drastisch zu reduzieren. Denn auch wenn das 1,5 -Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht mehr einzuhalten ist, auch wenn Kipppunkte im Klimasystem zukünftig erreicht und überschritten werden: Jedes Zehntelgrad bedeutet noch mehr Risiken.
Die Apokalypse fällt mal wieder aus. Aber das ist noch keine richtig gute Nachricht.