Bis 2030 sollen nach dem Willen der Bundesregierung 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Doch dieses Ziel ist offenbar ambitionierter als bislang angenommen. Denn Haushalte, die auf erneuerbare Energien umsteigen, verbrauchen oft nicht weniger – sondern mehr. Grund dafür ist der so genannte Rebound-Effekt. Das berichten nun Forschende eines Projekts unter der Federführung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).
Wer eine Photovoltaik(PV)-Anlage auf seinem Dach installieren lässt, erneuerbare Wärme oder Ökostrom nutzt, neigt demnach zu einem sorgloseren Umgang mit Energie. Der Grund: Die "grüne" Energie gilt als ökologisch unbedenklich. "Das gute Gewissen, mit der PV-Anlage bereits einen Beitrag für die Umwelt zu leisten, kann zu einem weniger sparsamen Stromverbrauch führen", schreiben die Autor*innen.
"Manche Haushalte verbrauchen extra viel Strom"
Weitere psychologische und finanzielle Motive kommen hinzu: So etwa das Bedürfnis, möglichst viel "billigen" Strom aus der teuer angeschafften PV-Anlage nutzen zu wollen. Zudem ermuntere der finanzielle Anreiz des möglichst großen Eigenverbrauchs dazu, weniger auf Sparsamkeit zu achten, schreiben die Forschenden. Unter dem Strich verbraucht ein Haushalt, der in den letzten Jahren auf eine Solaranlage umgestiegen ist, fast 20 Prozent mehr Strom als vergleichbare Haushalte ohne PV-Anlage.
"Manche Haushalte verbrauchen extra viel Strom", erklärt IÖW-Projektleiterin Julika Weiß, "weil sie das Einspeisen als pure Verschwendung empfinden: Wer heute eine PV-Eigenverbrauchsanlage installiert, bekommt für jede eingespeiste Kilowattstunde nur 6,43 Cent – also viel weniger, als man beim Stromanbieter pro Kilowattstunde zahlt."
Doch die Intuition trügt: Der höhere Verbrauch der "billigen" Energie vom eigenen Dach führt auch zu deutlich höheren Energiekosten. Im Schnitt zahlt ein Drei-Personen-Haushalt mit Solaranlage für den Mehrverbrauch rund 100 Euro im Jahr extra, rechnen die Forschenden vor.
Mehrverbrauch erfordert den Bau von noch mehr Anlagen
Für die Energiewende bedeutet der Rebound-Effekt ein ernst zu nehmendes Hindernis. Denn der höhere Verbrauch macht zusätzliche Erneuerbare-Energien-Anlagen notwendig. Die Forschenden empfehlen darum, zum Beispiel bei der Energieberatung gezielt auch die Themen Effizienz und Suffizienz, also den maßvollen Umgang mit Energie, voranzubringen.
"Klimaschutzagenturen und Energieberater*innen sollten besser über finanzielle und auch ökologische Effekte des Mehrverbrauchs aufklären", fordert Matthias Pfaff vom Fraunhofer ISI. Bisher sei noch wenigen Besitzer*innen von PV-Anlagen bewusst, dass jede Kilowattstunde Solarstrom, die sie einspeisen, für die Energiewende gebraucht wird.