Meeresforschung Gefährten fürs Leben: Tiefe Freundschaften halten Delfine jung

Untrennbare Kumpel? Große Tümmler knüpfen oft Freundschaften, die jahrzehntelang halten
Untrennbare Kumpel? Große Tümmler knüpfen oft Freundschaften, die jahrzehntelang halten
© LeESOn, Pat & Tom / Image Professionals
Genanalysen von Großen Tümmlern in Australien zeigen: Enge Bindungen hemmen offenbar die Zellalterung. Nicht die Größe des Freundeskreises entscheidet, sondern die Stabilität

Delfine sind nicht nur klug und verspielt, sie bilden auch hochkomplexe Sozialstukturen: mit engen Freunden, weiten Familienbanden und losen Bekannten. Aber: Warum eigentlich?

In der Shark Bay von Westaustralien untersucht ein internationales Forschungsteam seit Jahrzehnten eine besonders ortstreue Population Großer Tümmler (Tursiops aduncus), um die Gesetzmäßigkeiten und biologischen Nutzen ihrer sozialen Netzwerke zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen nun: Wer verlässliche Partner hat, kommt im Delfin-Clan nicht nur zu einem besseren Jagderfolg und erhöht seine Fortpflanzungschancen. Soziale Geflechte verlängern zugleich auch das eigene Leben – zumindest auf Zellbasis.

Die Forschenden, die ihre Studienresultate im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlichten, beobachteten zunächst systematisch, welche Tiere gemeinsam durchs Wasser ziehen und wie sich die Beziehungen über längere Zeit verändern. 

Dabei zeigte sich: Besonders komplex sind die Freundschaftsverhältnisse bei den Männchen. Sie organisieren sich in mehrstufigen Allianzen. Im Zentrum stehen kleine Kernteams von zwei bis drei „Kumpels“, die beinahe ständig zusammen unterwegs sind. Einige dieser Freundschaften halten jahrzehntelang. Mehrere Buddy-Teams schließen sich wiederum oft zu größeren Koalitionen zusammen, um gemeinsam zu jagen oder die Weibchen des Clans zu bewachen. 

Ergänzend zu diesen Langzeitbeobachtungen untersuchten die Forschenden nun auch Gewebeproben, die sie aus den Rückenflossen der Tümmler entnahmen. Die Wunden der Biopsien verheilen schnell, für die Forschung aber führte die Genanalyse der Proben zu wertvollen Einsichten in die Altersprozesse der Zellen. 

In der Shark Bay von Westaustralien,  800 Kilometer nördlich von Perth, schwimmen Delfine oft nah an den Strand heran. Seit den 1980er Jahren wird die Population fortlaufend untersucht        
In der Shark Bay von Westaustralien,  800 Kilometer nördlich von Perth, schwimmen Delfine oft nah an den Strand heran. Seit den 1980er Jahren wird die Population fortlaufend untersucht
 

 
© Chris Bucanac / Getty Images

Die Forscher bestimmten, wie sich die chemischen Muster der DNA über Jahre verändern. Anhand dieser „epigenetischen Uhren“ konnten sie dann das „biologische Alter“ der Tümmler miteinander vergleichen.

Ihr Resultat: Männchen mit engen sozialen Bindungen wiesen weit weniger „Altersschäden“ in ihren Zellen auf als die Einzelgänger desselben Jahrgangs. „Freundschaften reduzieren den Stress“, fasst Livia Gerber, Hauptautorin der Untersuchung, ihre Ergebnisse zusammen. Stresshormone wie Cortisol seien starke Beschleuniger für die Zellalterung. Zudem verbrauchten Delfine, die sich zum Jagen mit anderen verbünden, langfristig weniger Energie.

In einer größeren Gruppe bloß mitzuschwimmen, reicht dabei jedoch nicht. Tümmler mit großen, aber nur lockeren Freundeskreisen altern vergleichsweise schnell. Wahrscheinlich wirke sich dabei der Wettbewerbsstress in der Gruppe und die erhöhte Verbreitungsgefahr von Krankheiten aus, so Gerber: „Wirklich gesund sind anscheinend nur tiefe, bedeutende Partnerschaften.“

Die Erkenntnisse der Delfin-Forschung könnten auch für uns Menschen von Nutzen sein: „Dass enge soziale Bindungen Altersprozesse bremsen, ist höchstwahrscheinlich ein Muster, dass viele Säugetiergruppen gemeinsam haben“, meint die Biologin. Im Ozean wie an Land scheint zu gelten: „Freundschaften sind kein Luxus, sondern ein wichtiger, biologischer Schutz.“