Klimaretter Wald? Bäume binden weniger Stickstoff als gedacht

Befindet sich zu viel Stickstoff im Waldboden kann das das Gesamtgleichgewicht der Nährstoffe stören
Befindet sich zu viel Stickstoff im Waldboden kann das das Gesamtgleichgewicht der Nährstoffe stören
© Santiago Urquijo / Getty Images
Wälder nehmen offenbar weniger Stickstoff auf als gedacht. Das könnte ihre Fähigkeit zur CO2-Bindung schwächen – mit Folgen fürs Klima

Die Natur kann der Erderwärmung wohl weniger entgegensetzen als bislang angenommen. Das liegt daran, dass Wälder und Natur mutmaßlich weniger Stickstoff aufnehmen können als bisherige Schätzungen annahmen, wie aus einer im Fachblatt "Nature" veröffentlichten Studie hervorgeht.

Ein Forschungsteam um Carla Reis Ely von der Oregon State University fand heraus, dass es bei bisherigen Schätzungen zur Stickstoffbindung wohl eine Verzerrung gab: Die dafür durchgeführten Messungen stammten aus Arealen, an denen Organismen, die Stickstoff aufnehmen, etwa 17 Mal häufiger vorkamen als im weltweiten Durchschnitt, heißt es in der Studie. 

Bisherige Schätzungen, wie viel Stickstoff in der Natur gebunden wird, gehen der Studie zufolge recht weit auseinander. Nach ihren eigenen Berechnungen gehen die Forschenden davon aus, dass die Natur tatsächlich ein Viertel bis zu zwei Drittel weniger Stickstoff aufnehmen kann als die bisherigen Schätzungen annahmen – nämlich etwa 65 Teragramm (65 Millionen Tonnen) pro Jahr.

Natur als Klimaschützer schwächer als angenommen

Das Problem: Pflanzen und Bäume brauchen Stickstoff, um Photosynthese betreiben zu können – bei der sie klimaschädliches CO2 binden. Nehmen sie weniger Stickstoff auf, ist also auch ihre Kapazität geringer, CO2 aufzunehmen.

Konkret läuft das Ganze so ab: Stickstoff-fixierende Bakterien wandeln gasförmigen Stickstoff N2 aus der Luft etwa in Ammoniak (NH3) um, den Pflanzen zum Wachsen nutzen. Sie benötigen Stickstoff zur Herstellung von Proteinen und Chlorophyll, dem grünen Pigment in den Blättern, das die Photosynthese ermöglicht.

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"In natürlichen Ökosystemen verbessert die Stickstoffbindung die Bodenfruchtbarkeit und unterstützt das Pflanzenwachstum, wodurch auch die Kohlenstoffspeicherung steigt", erklärt Forscherin Reis Ely. "Unsere neue Schätzung der natürlichen Stickstoffbindung, die auf einem verbesserten wissenschaftlichen Verständnis beruht, deutet jedoch darauf hin, dass weniger neuer Stickstoff in natürliche Ökosysteme gelangt."

Doch nicht nur diese Messverzerrung ist dafür verantwortlich, dass die Natur als wichtiger Kämpfer gegen die Erderwärmung schwächer ist als erhofft: Auch Schäden durch Trockenheit, Stürme und Schädlinge verschärfen das Problem: Laut der Waldinventur im vergangenen Jahr ist der Wald in Deutschland in den letzten Jahren aufgrund der Klimakrise und ihrer Folgen zur Quelle von Kohlenstoff geworden. Das bedeutet, dass die Verluste größer sind als der Zuwachs.

Stickstoffbindung in der Landwirtschaft hat gemischte Folgen

Neben der natürlichen Bildung von Stickstoff beschäftigen sich die Studienautoren auch mit der landwirtschaftlichen Bindung von Stickstoff – und beschreiben diese als elementaren Teil des Stickstoffkreislaufs. Gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter habe sich die gesamte terrestrische Bindung von Stickstoff durch die landwirtschaftliche Nutzung sogar um rund 60 Prozent erhöht, heißt es in der Studie.

In der Landwirtschaft wird Stickstoff zur Herstellung von Dünger genutzt. Dies sei einerseits notwendig, um eine wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können – allerdings könne die landwirtschaftliche Stickstoffbindung in zu hohem Ausmaß auch wiederum negative Folgen haben und sogar zum Klimawandel beitragen, schreiben die Autoren. 

"Zu viel Stickstoff kann das Gesamtgleichgewicht der Nährstoffe im Boden stören, und überschüssiger Stickstoff kann ins Grundwasser sickern oder in Seen und Flüsse abfließen, was zu Algenblüten führt und Lebewesen im Wasser schädigt", betont Reis Ely. Zudem könne überschüssiger Stickstoff zu Lachgas (N2O), einem starken Treibhausgas, werden. Ein hoher Stickstoffgehalt könne auch invasive Arten begünstigen, die einheimische verdrängen und so die Artenvielfalt verringern.

Larissa Schwedes