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Noch vor zwei Jahren waren viele Straßen im Norden der chinesischen Provinz Sichuan für den Durchgangsverkehr gesperrt. Die Nutzung der Transportwege war staatlichen Forstfahrzeugen vorbehalten, die unablässig Baumstämme aus den umliegenden Wäldern zu den Sägemühlen und Papierfabriken frachteten. Heute rollen zivile Busse und Fahrräder über den wieder freigegebenen Asphalt, und die Kettensägen im Restwald schweigen. Das notorisch holzhungrige China mit seinen 1,3 Milliarden Verbrauchern verschont seine Bäume - was ist geschehen?
Verhängnisvolles Fazit aus einer Katastrophe Eine Katastrophe, die groß genug war, sogar das rote Riesenreich das Fürchten zu lehren. 1998 hatte der Chang Jiang, des Landes längster Fluss und wichtigste Lebensader, seine Dämme gesprengt - mit einer Jahrhundertflut, die mehr als 3000 Menschen das Leben kostete und den Staat viele Milliarden Yuan durch die angerichteten Landschäden.
Mit der Nachhilfe von Umweltschutzexperten lernte die Regierung: Das langjährige Abholzen besonders der Wälder im Norden Sichuans, aus dem viele Wasserläufe dem Langen Fluss zuströmen, hatte die Flutkatastrophe erheblich begünstigt. Beijing reagierte, ausnahmsweise unbürokratisch schnell, mit einem strikten Abholzverbot in Chinas Naturwäldern.
Im Nu die Nummer eins der Holzimporteure
Dadurch wurde der nationale Holzverbrauch freilich nicht eingeschränkt, sondern nur verlagert: auf einen sprunghaft steigenden Import ausländischer Hölzer. Vor dem Abholzverbot 1998 rangierte China mit einer Holzeinfuhr von etwas über vier Millionen Kubikmeter jährlich unter ferner liefen auf der internationalen Topliste der Holzimportländer. 1999 hatten sich Beijings Einfuhren mehr als verdoppelt und bis Ende 2000 einen vorläufigen Gipfel von 14 Millionen Kubikmeter Importholz im
Jahr erklommen. Damit hat China sogar den asiatischen Spitzenreiter Japan hinter sich gelassen.
Ist Südostasien kahl, will Beijing Holz aus Brasilien
Seit drei Jahrzehnten beutet Asiens größter Holzverbraucher Japan systematisch die Urwälder Südostasiens aus. Nun wird befürchtet, dass Chinas extrem gewachsener Einfuhrbedarf auch noch den Rest der grünen Wildnis in der Region vernichtet. Denn die Volksrepublik bezieht heute ihr Hartholz überwiegend aus den ohnehin schon stark dezimierten Regenwäldern Malaysias, Indonesiens und Papua-Neuguineas sowie aus Gabun in Westafrika. Beijing hat vorsorglich auch schon in die Holzindustrien Neuseelands und Brasiliens investiert, sollten die südostasiatischen Bestände bald endgültig zur Neige gehen.
Neue Runde im globalen Raubbau So wie China seinen Holznachschub zugunsten der nationalen Wälder auf die internationalen Exportländer verlagert hat, so verschiebt sich dort ebenfalls der Markt - teils zum Schwarzhandel. Russland etwa liefert neuerdings fast alle von China benötigten Weichhölzer wie Fichte und Tanne aus seinen sibirischen Wäldern; der chinesische Importboom hat in den Forsten bei Irkutsk und Tomsk aber auch eine Welle illegaler Abholzerei ausgelöst: eine weitere Globalisierung des Waldraubbaus, dieses Mal unverhofft von Beijing angeschoben.