Auf der Suche nach Mahagoni-Bäumen entdeckt ein Holzfäller 1937 mitten im abgelegenen Regenwald in Belize die Ruinen der Maya-Stadt Caracol. Ab 1985 wurde die jahrhundertealte Siedlung zum größten Ausgrabungsprojekt des mittelamerikanischen Staates. Gemeinsam leiten Diane und Arlen Chase, ein US-amerikanisches Archäologen-Ehepaar von der Universität Houston, seit 40 Jahren die Ausgrabungen.
Kurz vor ihrer goldenen Hochzeit machten die Forschenden und ihr Team nun einen spektakulären Fund: Sie identifizierten das Grab des Mayakönigs Te K'ab Chaak. Es ist die erste Begräbnisstätte, die sie einer Person zuschreiben können: dem Stammvater einer bedeutenden Königsfamilie des antiken Volkes.
Entdeckung mit doppeltem Effekt
"Wir haben in Caracol noch nie jemanden gefunden, den wir als Herrscher identifizieren konnten, daher war das an sich schon erstaunlich", so die Ausgrabungsleiterin Diane Chase. Und dann auch noch ein "Doppel-Wow", so die Archäologin weiter, denn der Herrscher konnte als Gründer einer Dynastie identifiziert werden.

Der Mayakönig Te K'ab Chaak bestieg vermutlich 331 n. Chr. den Thron. Er soll der erste Herrscher der Maya-Metropole Caracol gewesen sein und gilt somit als Begründer einer Dynastie. Vor mehr als 1600 Jahren haben in seiner Stadt vermutlich über 100.000 Menschen gelebt. Zwischen 560 und 680 n. Chr. wird Caracol eine bedeutende Metropole. Zehntausende Häuser, Paläste und mehrere Akropolis-Komplexe sowie eine rund 46 Meter hohe Pyramide gehören damals zu der schätzungsweise 90 Quadratkilometer großen Stadt. Sowie auch die etwa 46 Meter hohe Pyramide Caana.
Schon vor Jahren hatte das Team um Arlen und Diane Chase ein Gebäude an der nordöstlichen Akropolis von Caracol durchsucht, doch damals übersahen die Forschenden etwas. Erst vor Kurzem entdeckten sie eine Kammer unter dem Boden des Gebäudes. Und darin nicht nur menschliche Gebeine, sondern auch die damit begrabenen Schätze: unter anderem bemalte Tongefäße, geschnitzte Knochenröhren, wertvollen Schmuck und Spondylus-Muscheln aus dem Pazifik.

Ein König über viele Jahre
Arlen Chase betrat als einer der Ersten das Grab. "Sobald wir die Kammer sahen, wussten wir, dass wir etwas Besonderes gefunden hatten", sagte der Archäologe der "New York Times". Anhand des Stils der Keramikgefäße habe er erkannt, dass das Grab außergewöhnlich alt war. Der rote Zinnober, der überall zu sehen war, ließ den Chase darauf schließen, dass es sich um eine Person von sehr hohem Rang handeln musste. Zudem fanden die Forschenden gleich drei Paar Jadeit-Ohrringe. Diese Schmuckstücke waren außergewöhnlicher Luxus, sie konnten nur einer Person aus der Maya-Elite gehört haben. Doch erst eine Mosaikmaske aus Jadeit-Stücken offenbarte, wie außergewöhnlich dieser Fund wirklich war.

Untersuchungen der sterblichen Überreste ergaben, dass der Mayakönig erst in hohem Alter gestorben war, vermutlich fast 20 Jahre nach seiner Thronbesteigung um das Jahr 350. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte der vermutlich rund 1,70 große Te K'ab Chaaks keine Zähne mehr.
Auf den Keramikgefäßen sind unterschiedliche Szenen abgebildet: Eine zeigt Ek Chuah – den Mayagott der Händler, der Reisenden und des Wohlstandes – umgeben von Opfergaben. Viele Szenen zeigen zudem gefesselte Gefangene. Ein Gefäß inszeniert einen Mayaherrscher mit Speer, dem Bittsteller Opfergaben darbringen. Auf den Keramiken sind auch Tiere wie Affen, Eulen oder Kolibris abgebildet. "Das sind Dinge, die wir noch nie zuvor gesehen haben", so Arlen Chase über einige der Motive. Zwei Gefäße waren sogar mit Deckeln versehen, mit modellierten Henkeln in Form von Nasenbärenköpfen. Der Weißrüssel-Nasenbär, oder tz'uutz' in der Sprache der Maya, wurde von späteren Herrschern über Caracol als Teil ihres Namens verwendet.

Könnte alles zusammenhängen?
Einige Artefakte aus dem Königsgrab Te K'ab Chaaks ähneln den Archäologen zufolge Fundstücken aus anderen Gräbern in Caracol aus der Zeit um 350 n. Chr. "Ohne dieses Grab hätten wir keine Ahnung, wie alles zusammenhängt", sagte Arlen Chase. Bereits 2010 fanden die Archäologen in einer Grabstätte in der Mitte der nordöstlichen Akropolis die verbrannten Überreste von drei Personen. Die Feuerbestattung war eine Praxis der hochrangigen Bewohner der Stadt von Teotihuacán, nicht jedoch der Maya-Elite. In dieser Großstad Mesoamerikas lebte zwischen etwa 100 und 650 n. Chr. das Volk der Teotihuacanos. In diesem Grab entdeckte das Team auch Artefakte aus Zentralmexiko, darunter fünfzehn grüne Obsidianklingen und ein Geschoss für einen Atlatl – eine speerartige Waffe –, typisch für Teotihuacán, eine alte Metropole mehr als 1200 Kilometer nördlich. Vor 1700 Jahren hätte eine Person mehr als 150 Tage für die Strecke benötigt.
Die Funde deuteten auf Beziehungen der frühen Mayavölker zu den Menschen in Zentralmexiko hin, so die Archäologen – und Jahrzehnte früher als bisher angenommen. "Schon seit den 1960er-Jahren rätseln Archäologen darüber, ob und wann Menschen von Teotihuacán eine neue politische Ordnung im Mayagebiet einführten", sagte Diane Chase.
Die Artefakte zeigen, dass diese Menschen nicht nur voneinander wussten, sondern auch miteinander interagierten, möglicherweise mit Gesandten auf höchster gesellschaftlicher Ebene, so das Ehepaar Chase – ein Zeichen für eine offene antike Welt des Handels und der Diplomatie. Wann genau und in welcher Form dieser Kontakt bestand, wird sicher noch intensive Debatten unter Archäologinnen und Archäologen auslösen, auch weil die Genauigkeit der heutigen Datierungstechniken begrenzt ist.
Auch die Forschung zum Inhalt der Kammer geht weiter. In Caracol haben Arlen und Diane Chase noch lange nicht jeden Stein umgedreht. "Es gibt noch viel mehr zu dieser Geschichte, und es wird länger dauern, bis wir sie aufklären können", sagte Diane Chase.