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Kunstgeschichte Frida Kahlo: Die Meisterin der Schmerzen

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Am 17. September 1925 stösst in Mexiko-Stadt ein Bus mit einer Tram zusammen. Eine Haltestange durchbohrt den gesamten Leib der 18-jährigen Frida Kahlo. Das Unglück prägt Leben und Werk der Künstlerin
Schwarz-weiß Fotografie zeigt Frida Kahlo schwerkrank im Bett
Ein schwerer Unfall als junge Frau in einem öffentlichen Bus prägt Kahlos Leben, zahlreiche Rückenoperationen folgen. Mit einer speziell angefertigten Apparatur kann sie immerhin auch im Bett malen (Foto von 1940)
© Frida Kahlo & Diego Rivera Archives / Bank of Mexico, Diego Rivera & Frida Kahlo Museums Trust



Alles steht bereit an diesem Frühlingsabend des Jahres 1953 in Mexiko-Stadt. Die Gemälde hängen an den Wänden, die Blumen sind arrangiert, die Gläser poliert. Eigentlich könnte die Galeristin Lola Álvarez Bravo jetzt die Tür aufschließen. Die Menschen draußen werden bereits ungeduldig, die ersten rütteln am Griff. Immer mehr Neugierige versammeln sich auf der Straße; der Verkehr stockt ihretwegen. Doch die Besitzerin der Kunsthandlung zögert.

Was, wenn die schwer kranke Künstlerin nicht kommen kann – Frida Kahlo, ihre Freundin, der Star des Abends? Die 45-jährige Malerin war so begeistert, endlich einmal etliche ihre Werke in Mexiko in einer Einzelausstellung zeigen zu können. Hatte die Bilder für die Galería de Arte Contemporáneo ausgewählt und mit Wollfäden gebundene Einladungen verschicken lassen.

Und jetzt steht da in der Mitte des Saals Kahlos leeres Himmelbett. Es duftet blumig; jemand hat ein Parfüm der italienischen Modemacherin Elsa Schiaparelli versprüht, auch sie ein Fan Kahlos. An der Unterseite des Baldachins klebt wie immer der große Spiegel. Aber kein mit dunklen Zöpfen gerahmtes Gesicht gibt er wieder, sondern nur das darunter hängende Skelett aus Pappmaschee, eine Erinnerung an den mexikanischen Totenkult. Am Kopfende prangen, auch wie immer, Abbildungen von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao sowie von Kahlos Freunden und Verwandten. Deren gemeinsame Bettgenossin aber: nicht da.

Erschienen in GEO Epoche Nr. 127 (2024)

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