Alles steht bereit an diesem Frühlingsabend des Jahres 1953 in Mexiko-Stadt. Die Gemälde hängen an den Wänden, die Blumen sind arrangiert, die Gläser poliert. Eigentlich könnte die Galeristin Lola Álvarez Bravo jetzt die Tür aufschließen. Die Menschen draußen werden bereits ungeduldig, die ersten rütteln am Griff. Immer mehr Neugierige versammeln sich auf der Straße; der Verkehr stockt ihretwegen. Doch die Besitzerin der Kunsthandlung zögert.
Was, wenn die schwer kranke Künstlerin nicht kommen kann – Frida Kahlo, ihre Freundin, der Star des Abends? Die 45-jährige Malerin war so begeistert, endlich einmal etliche ihre Werke in Mexiko in einer Einzelausstellung zeigen zu können. Hatte die Bilder für die Galería de Arte Contemporáneo ausgewählt und mit Wollfäden gebundene Einladungen verschicken lassen.
Und jetzt steht da in der Mitte des Saals Kahlos leeres Himmelbett. Es duftet blumig; jemand hat ein Parfüm der italienischen Modemacherin Elsa Schiaparelli versprüht, auch sie ein Fan Kahlos. An der Unterseite des Baldachins klebt wie immer der große Spiegel. Aber kein mit dunklen Zöpfen gerahmtes Gesicht gibt er wieder, sondern nur das darunter hängende Skelett aus Pappmaschee, eine Erinnerung an den mexikanischen Totenkult. Am Kopfende prangen, auch wie immer, Abbildungen von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao sowie von Kahlos Freunden und Verwandten. Deren gemeinsame Bettgenossin aber: nicht da.

Oder doch. Nicht eine Frida ist im Raum, es sind viele. Die großen Augen unter zusammengewachsenen Brauen, die markanten Züge, der Oberlippenflaum. Die stolze Haltung des versehrten, mehrfach gebrochenen Körpers. Die leuchtenden mexikanischen Kleider, der Schmuck, ein bisschen indigen, ein bisschen Avantgarde: Frida Kahlo ist sich selbst ihr liebstes Motiv. Die vielen gemalten Fridas schauen nun auf das gemachte, leere Bett und auf Álvarez Bravo, die Freundin, Sammlerin, Fotografin, Mitstreiterin und gelegentliche Gespielin der Künstlerin.