Es ist das Jahr 1755, als Gotthold Ephraim Lessing wohl erstmals in seinem Leben das Gefühl bekommt, er habe das große Los gezogen. Die Gedankenwelt des wissbegierigen Dichters ist längst größer als die deutschen Lande, im Kopf ist er schon reichlich herumgereist. Nun aber eröffnet sich ihm endlich die Chance, die Welt da draußen auch wirklich zu erfahren. Der Leipziger Kaufmannssohn Christian Gottfried Winckler hat den ewig klammen Poeten als bezahlten Begleiter zu einer auf drei Jahre geplanten Europareise angeheuert. Der 26-jährige Lessing soll so etwas wie der Bildungsbeauftragte für den fünf Jahre jüngeren Spross aus wohlhabendem Hause sein; auch Übersetzer. Er spricht die Sprachen der Länder, in die es gehen soll, beherrscht Englisch, Französisch, Italienisch, dazu Spanisch. Am 10. Mai 1756 starten die beiden in Leipzig.
Ein Aufbruch in die Unbeschwertheit, wie es scheint. Doch das sieht nur kurz so aus. Ende August des Jahres, Lessing und Winckler sind da erst bis in die südlichen Provinzen der Vereinigten Niederlande gelangt, marschiert die preußische Armee in Kursachsen ein – und tritt damit los, was sich zum Siebenjährigen Krieg in Europa auswachsen wird. Winckler, der um seinen Besitz in der Heimat fürchtet, beschließt die Umkehr.