Medizinhistorikerin "Der Pflegenotstand ist mindestens 100 Jahre alt": Über die Folgen einer verpassten Chance

Krankenschwester schläft am Bett eines Patienten
Stets im Einsatz, ob bei Tag oder Nacht: Eine Pflegefachkraft und ihr Patient, hier um 1955
© © SZ Photo / Hannes Betzler / Bridgeman Images
Seit Jahren leidet die Pflegebranche unter Personalmangel. Die Medizinhistorikerin Monja Schünemann führt die Wurzeln des Pflegenotstands bis ins 19. Jahrhunderts zurück – und erklärt, wie bislang alle Versuche gescheitert sind, mehr Fachpersonal zu finden

GEO: Frau Schünemann, in Deutschland fehlen derzeit mehr als 200.000 Pflegekräfte, in Zukunft werden es voraussichtlich noch viel mehr sein. Ist das ein neues Problem?  

Monja Schünemann: Der Pflegenotstand ist mindestens 100 Jahre alt. Um 1920 taucht der Begriff "Schwesternmangel" in Politik und Medien erstmals auf. Krankenhäuser hatten zunehmend Probleme, Pflegepersonal zu finden. Das lag vor allem daran, dass die Frauen, die während des Ersten Weltkriegs in Lazaretten gearbeitet hatten, nach dem Krieg nicht mehr benötigt wurden und zudem mittlerweile häufig Mutter und Hausfrau geworden waren. Die eigentlichen Wurzeln des Pflegenotstands reichen aber bis ins 19. Jahrhundert zurück.

Inwiefern?

Damals hat Deutschland den Anschluss an die berufliche Professionalisierung in der Pflege verpasst. Und dieser Rückstand verfolgt uns bis heute. 

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