Ägypten Pyramide zugepflastert: Restaurierung oder "eklatanter Eingriff in die Arbeit der alten Ägypter"?

Blick auf Menkaure-Pyramide
Umstrittene Restaurierung: Ende Januar 2024 haben Arbeiter begonnen, die Menkaure-Pyramide in Gizeh mit Granitblöcken zu verkleiden
© KHALED DESOUKI / Getty Images
Die ägyptische Altertumsbehörde verkleidet die Menkaure-Pyramide in Gizeh mit Granitblöcken. Forschende jedoch diskutieren über die Frage: Befanden sich diese Quader überhaupt an der Pyramide?

Nicht weniger als ein "Jahrhundertprojekt" soll es sein, verkündete Mostafa Waziri, Generalsekretär der ägyptischen Altertumsbehörde, jüngst am Fuße der weltberühmten Pyramiden von Gizeh. Die kleinste der drei Pyramiden, die Menkaure-Pyramide, soll aufwendig restauriert werden, drei Jahre lang. Es sei "Ägyptens Geschenk an die Welt im 21. Jahrhundert", betonte Waziri. 

Allerdings stößt der Generalsekretär mit seinem Vorhaben nicht nur auf Beifall. Ein Video von den bereits begonnenen Arbeiten sorgt auf Facebook für Entrüstung und Spott. Zu sehen ist dort, wie Arbeiter Granitblöcke, die in dem Areal verstreut lagen, auf den Sockel der Pyramide hieven. "Absurd" und "unmöglich", nennt etwa die Ägyptologin Monica Hanna die Vorgänge. "Alle internationalen Grundsätze für Restaurationen verbieten solche Eingriffe." Andere Kritikerinnen und Kritiker gehen noch weiter: "Warum die Pyramide nicht gleich tapezieren?", zitiert die Zeitung "Guardian" einen Kommentar. Oder: "Wann wird der schiefe Turm von Pisa wieder aufgerichtet?"

Pharao Menkaure starb vor Fertigstellung der Pyramide

Im Kern dreht sich die Debatte um die Frage: Wie sah die Menkaure-Pyramide ursprünglich aus? Und wie stark dürfen Regierungen historische – und im Laufe von Jahrhunderten veränderte – Monumente umgestalten?

Pharao Menkaure, griechisch Mykerinos, ließ die 65 Meter hohe Pyramide ungefähr zwischen 2540 und 2510 v. Chr. als seine Grabstätte errichten. Zu seinen Lebzeiten wurde sie jedoch nicht vollendet; auch sein Sohn und Nachfolger Schepseskaf stellte die Pyramide dann nie fertig. Als Menkaure starb – so vermuten Forschende – waren die untersten 16 Steinreihen der Pyramide mit Granitplatten bedeckt. Erdbeben sollen diese Blöcke später von dem Bauwerk gelöst haben. (Die Außenverkleidung der Cheops-Pyramide bestand ursprünglich aus feinem Kalkstein.)

Mostafa Waziri ließ die herausgelösten Granitblöcke in der Umgebung des Bauwerks freilegen und will sie wieder an ihrem ursprünglichen Platz anbringen lassen. 

Blick auf die drei Pyramiden von Gizeh
Die Pyramiden von Gizeh gehören zu den berühmtesten Gebäuden der Welt. Erbaut wurden sie vor mehr als 4500 Jahren. Vorne die Menkaure-Pyramide, in der Mitte die Chephren-Pyramide und hinten die Cheops-Pyramide
© Nick Brundle / Alamy Stock Photos / mauritius images

Forschende wie Monica Hanna befürchten jedoch, dass nun Granitquader auf die Pyramide montiert werden, die sich dort nie befunden haben. Denn die Blöcke in der unmittelbaren Umgebung des Bauwerks seien teils unbearbeitet: Als Pharao Menkaure starb, "wurden die Blöcke von den Arbeitern dort zurückgelassen", schreibt Hanna. Zudem versuchte der Sultan von Ägypten, Al-Aziz Uthman, im 12. Jahrhundert die Pyramide zu zerstören – und ließ Steine für Gebäude in Kairo abtragen. Diejenigen Granitblöcke zu finden, die tatsächlich einmal Teil der Pyramiden-Außenfassade waren, sei kaum möglich, erklärt Monica Hanna.

Die Verkleidung der Pyramide, so die Archäologin, sei "ein eklatanter Eingriff in die Arbeit der alten Ägypter und würde die Authentizität des Monuments beeinträchtigen". Doch während Hanna eine "sofortige Mobilisierung von Forschenden" fordert, laufen die Restaurationsarbeiten bereits weiter: Mostafa Waziri ist entschlossen, das Projekt umzusetzen. 

mop

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